Es ist schon eine Wahnsinns-Erfindung, dieses Flugzeug. Es bringt Dich in nur wenigen Stunden ans andere Ende der Welt. Du sitzt in einer blechernen Röhre und bist von der Außenwelt abgetrennt. Du spürst keine Geschwindigkeit, keinen Fahrtwind und keine Veränderung. Einzig beim Blick durch das kleine Fenster siehst Du die Erde unter Dir hinwegziehen. Vielleicht werden da gerade Kriege geführt oder Partys gefeiert. Du wirst es nie erfahren. Und dann, wenn die Flughafentür sich öffnet, treffen Dich Hitze und Luftfeuchtigkeit wie ein Schlag und Du blickst in fremde Gesichter. Auf einmal bist Du ganz woanders.
Eine Reise am Boden dagegen ist lang und anstrengend. Viele Tage verbringst Du in Transportmitteln, siehst Leute kommen und gehen, übernachtest an fremden Orten, verweilst und schaust Dich um. Du siehst die Einheimischen ihren Geschäften nachgehen, sich um ihre Kinder kümmern, plauderst mit ihnen, isst die landestypische Kost und ziehst weiter. Und ganz allmählich verändern sich ihre Gesichter, die Landschaft und das Klima auf dem Weg in die Ferne.
Auf dem Landweg zu reisen kostet viel Zeit, ist altertümlich und macht heute kein Mensch mehr. Naja, eigentlich gibt es doch einige, die gerne Marco Polo spielen. Einer von diesen bin ich. Ich bin von Deutschland nach China ohne Flug gereist.
Grober Ablauf
Der Startpunkt meiner Reise war Frankfurt am Main. Dort bin ich am Hauptbahnhof in den Zug gestiegen und habe dann mit Bus, Bahn und Schiff folgende Route in den fernen Osten genommen:
Österreich – Slowakei – Ungarn – Polen – Litauen – Lettland – Schweden – Lettland – Estland – Finnland – Estland – Russland – Mongolei – China
Weiter unten findest Du meine Reiseroute im Detail.
Organisation
Ausschließlich mit Bus, Bahn und Schiff bis nach China zu reisen, hört sich kompliziert und wahnsinnig planungsaufwendig an. Eigentlich ist es jedoch ziemlich einfach.
Was Du brauchst, ist Zeit. Ich habe von meiner Abreise in Deutschland bis zur chinesischen Grenze knapp zweieinhalb Monate benötigt. Das ist schon ziemlich schnell. Vor allem in Europa war mein Programm stramm.
Reiseroute
Ich wollte unbedingt mit der Transsibirischen Eisenbahn durch Russland fahren. Deshalb stand für mich fest, dass mein Weg nach Asien durch das größte Land der Welt führt.
Wenn Du von Mittel-Europa nach Russland willst, hast Du 3 Möglichkeiten:
- durch die Ukraine. Dafür hätte ich als EU-Bürger nicht mal ein Visum gebraucht.
- durch Weißrussland. Dafür wäre mindestens ein sogenanntes Transit-Visum nötig gewesen. Das ist ein Visum, das zur Durchfahrt berechtigt. Wenn Du länger bleiben und Dir Weißrussland anschauen willst, musst Du Dir ein Touristenvisum besorgen. Aber das Land öffnet sich gerade und es gibt ständig Erleichterungen. Überprüfe den neuesten Stand auf der Seite des Auswärtigen Amtes. 2018 bin ich über Weißrussland nach Russland gereist und habe somit auch diese Variante ausprobiert.
- durch das Baltikum. Das Baltikum befindet sich ganz im Norden Europas, liegt an der Ostsee, die auch baltisches Meer genannt wird, und besteht aus den Ländern Litauen, Lettland und Estland. Alle 3 sind Mitglieder der EU. Das heißt, hier ist ebenfalls kein Visum nötig.
Ich hatte mich für Variante Nummer 3 entschieden. So konnte ich noch kurze Abstecher mit der Fähre nach Stockholm und Helsinki einbauen.
Visa
Auf dieser Reiseroute kommst Du als Deutscher mit zwei Visa aus: eines für Russland und eins für China.
Ich hatte mir die Dokumente über eine Visa-Agentur in Deutschland besorgt (hier gehts zu meinem Visa-Artikel). Das ist mega einfach, kostet aber mehr, als auf eigene Faust. Über das Russland-Visum weiß ich mittlerweile, dass Du das genauso gut auch selber beantragen kannst. Die benötigte Einladung holst Du Dir am besten trotzdem über eine Agentur. (Infos zum Russland-Visum findest Du bei Russlandjournal.de.).
Bei meinem China-Visum hatte ich Sonderwünsche und war froh, dass sich die Profis darum kümmerten. Bei einem Standard-30-Tage-Visum sollten keine Schwierigkeiten entstehen, wenn Du das auf eigene Faust arrangierst.
Ich hatte ein 3-Monats-Visum für China und beantragte später im gleichen Jahr in HongKong ein neues Visum, weil ich nochmal nach China wollte. Obwohl ich das alte Visum nicht ausgereizt und eine Agentur beauftragt hatte, bekam ich nur nochmal 14 Tage anstelle der 30, die ich gerne gehabt hätte (zu meinem Hong-Kong-Video). Bei Sonderwünschen zicken die chinesischen Behörden offensichtlich manchmal.
Für die Mongolei brauchte ich als Deutscher übrigens kein Visum. Ich durfte 30 Tage ohne bleiben. Als ich in der Bahn auf dem Weg nach UlanBataar ohne Visum saß und alle anderen EU-Bürger, Holländer, Engländer und so, eins hatten, wurde ich schon nervös. Aber Deutschland hat ein spezielles Abkommen mit der Mongolei und die Einreise klappte zum Glück problemlos.
Bevor Du eine solche Reise machst, solltest Du aber auf jeden Fall nochmal im Internet beim Auswärtigen Amt überprüfen, ob sich in Sachen Visa was geändert hat.
Bus oder Bahn? Gut, wenn man die Wahl hat
Bei der Planung der Reise fiel mir als erstes das Interrail-Ticket ein. Es stellte sich aber ziemlich schnell heraus, dass sich das für mich nicht lohnte, da das Ticket einige Länder nicht abdeckt und ich gezwungen gewesen wäre, immer mit dem Zug zu fahren. In Europa ist Busfahren deutlich billiger als die Eisenbahn und es gab so gut wie immer gratis WLAN. Ohne Bindung an ein Verkehrsmittel konnte ich stets frei wählen und beispielsweise mit dem Schiff von Wien nach Bratislava über die Donau fahren und über die Ostsee nach Skandinavien schippern.
Kein Orga-Stress!
Ansonsten musst Du Dir vorher keinen Orga-Stress machen. Bleib einfach solange, wie Du Bock hast, an den jeweiligen Orten und buche dann übers Internet oder auch vor Ort ein Ticket zum nächsten Reiseziel. Ich habe das immer ein bis zwei Tage vor meiner Weiterreise gemacht. Spontan zu entscheiden, irgendwo hinzufahren, wovon Dir abends beim Bier ein anderer Reisender erzählt, ist kein Problem und gerade in Europa total easy. Bis zur russischen Grenze wollte nicht ein einziges Mal jemand meinen Ausweis sehen.
Bei aller Spontaneität solltest Du bei den Visa-Ländern im Auge behalten, wie lange Du im Land bleiben darfst. Für Russland sind das in der Regel 30 Tage und mit abgelaufenem Visum an der Grenze zu stehen, ist keine gute Idee.
Russland
Über die Eisenbahn in Russland hatte ich vorher viel gelesen. Häufig hieß es, es sei schwer Fahrkarten zu kaufen, wenn man kein Russisch spricht und die Bahnen seien oft lange im Voraus ausgebucht. Deshalb hatte ich die Fahrten von St. Petersburg nach Moskau, von Moskau nach Irkutsk in Sibirien und dann weiter in die Mongolei und nach China im Internet über „Real Russia“ gebucht. Die machen das super, sind immer erreichbar und helfen einem bei Fragen weiter. Spitze ist vor allem der Zugplaner bei Real Russia. Da kannst Du Dir Deine Route zusammenstellen und Preise und Fahrzeiten vergleichen, selbst, wenn Du dort nicht kaufst.
Günstiger ist es natürlich, das auf eigene Faust zu machen.
Ich entschied mich spontan, länger in Moskau zu bleiben und es war kein Problem, einen anderen Zug nur wenige Tage vor Abfahrt zu bekommen. So krass waren die Züge also nicht ausgebucht. Zu knapp solltest Du allerdings nicht kalkulieren.
Alle Bahnfahrten in Russland und der Mongolei bis nach China haben ich für 240€ über Real Russia gebucht. Für die spontane Planänderung in Moskau habe ich knapp 50€ extra bezahlen müssen.
15.955 Kilometer in 13 Ländern
Frankfurt/Deutschland - Wien/Österreich (Zug/ICE/1.Kl./7h/720km/75€)
– Reisebericht „Thank you for travelling with Deutsche Bahn“, Video Wien
Wien - Bratislava/Slowakei (Schiff/1.25h/80km/30€)
– Wien – meine schönsten Bilder, Video Bratislava
Bratislava - Budapest/Ungarn (Bus/3.25h/200km/18€)
– Bratislava – meine schönsten Bilder, Video Budapest
Budapest - Krakau/Polen (Bus/7h/390km/13€)
– Budapest – meine schönsten Bilder
Krakau -Warschau/Polen (Zug/2.Klasse/2.5h/300km/12€)
Warschau - Danzig/Polen (Zug/2.Klasse/3h/330km/11€)
Danzig - Warschau (Bus/4,5h/330km/8€)
Warschau - Vilnius/Litauen (Bus/8h/460km/19€)
– Reisebericht Backpacker-Jesus & Bierbrunnen – die Republik Uzupis
Vilnius - Kaunas/Litauen (Bus/1.5h/100km/6€)
Kaunas - Panevezys/Litauen (Bus/1.5h/110km/3,50)
Panevezys - Riga/Lettland (Bus/2h/160km/3,50€)
Riga - Stockholm/Schweden: (Schiff/17h/550km/135€)
Stockholm - Riga: (Schiff/17h/550km/135€)
Riga - Tallinn/Estland: (Bus/4.5h/310km/17€)
Tallinn - Helsinki/Finnland: (Schiff/2.5h/90km/22€)
– Video Schweden, Estland, Finnland
Helsinki - Tallinn: (Schiff/2.5h/90km/22€)
Tallinn - St. Petersburg/Russland: (Bus/7.5h/370km/25€)
St. Petersburg - Moskau: (Zug, 2. Kl./8h/715km/ Preise für die Zugfahrten in Russland und der Mongolei bis nach China siehe über diesem Kasten)
Moskau - Irkutsk: (Transsib. Eisenbahn, 3. Kl. (Platzkart)/91h/5200km)
– Reisebericht Transsibirische Eisenbahn – Mythos und Wahrheit
Irkustk - Olchon im Baikalsee: (Bus und Fähre/7h/350km/10€)
Olchon im Baikalsee - Irkustk: (Fähre und Bus/7h/350km/10€)
– Videos und Reisebericht Irkustk, Baikalsee
Irkutsk - Ulanbataar/Mongolei: (Transmong. Eisenbahn/2.Klasse/1100km/23h)
Trip in Mongolei bis zur Wüste Gobi: (8 Tage mit Minibus/1900km)
– Reisebericht mit Video Mongolei
Ulanbataar - Peking/China: (Zug/2. Klasse/27h/1200km)
– Bericht über Grenzübertritt von Russland zur Mongolei sowie von der Mongolei nach China
Für alle Busse, Züge und Schiffe zusammen habe ich von Frankfurt bis nach China 865€ bezahlt. Die Preise für die Zugfahrten in Russland und der Mongolei bis nach China findest Du im Kapitel über diesem Kasten.
Was danach geschah
Anyway: Dieser Trip wird immer eines der großartigsten Trips sein, die ich in meinem Leben gemacht habe. Jedem, der damit liebäugelt, kann ich nur die Worte Erich Rutemöllers zurufen: Mach et, Otze!
Hallo, danke für den Bericht, ich hab mich gefreut tatsächlich genau das zu finden, wonach ich gegoogelt habe 🙂
Was ich mich noch frage ist, in wie weit man während der langen Zugreisen wirklich etwas vom Land erlebt, also gibt es Zwischenstops für einige Zeit um mal was zu sehen oder gibt es die Möglichkeit irgendwo auszusteigen und ein paar Tage später den nächsten Zug weiter zu nehmen?
Liebe Grüße, Medea
Hi Medea,
also, um was zu erleben, solltest Du auf jeden Fall ein paar Mal aussteigen. Der Zug hält zig Mal, oft auch für eine halbe Stunde. Dann kann man kurz mal raus, aber ich würde auf jeden Fall dazu raten, eine Nacht hier und dort zu bleiben. Novosibirsk, Jekaterinburg,… da gibt es genügend Orte. Das Ticket wird allerdings teurer, wenn Du Stopps einbaust.
Hier gibts meinen Reisebericht zur Transsib: https://rutisreisen.de/transsibirische-eisenbahn-mythos-und-wahrheit/
Schöne Grüße
Ruti
Wow, danke für den inspirierenden Artikel! 🙂
Das nimmt mir ein wenig die Angst vor der Idee, ebenfalls ohne Flugzeug bis nach Asien zu reisen.
Viele liebe Grüße
Das freut mich. Einfach machen! Ist super toll.
Hallo. Sehr interessanter Artikel.
ich habe eine Frag zum Visum China. Du schreibst dass du ein 3-Monats visa hattest. Du meinst bestimmt das 90 Tage dass dich berechtigt 30 Tage im Land zu bleiben oder? Danke und viele Grüße
Hi Janine,
nein, ich habe einen Freund, der in China wohnt, und über den habe ich ein Privatvisum bekommen. Ich durfte mich also 3 Monate dort aufhalten. Ich habe das hier beschrieben: https://rutisreisen.de/visum-fuer-russland-und-china/
Schöne Grüße
Ruti
Hallo Ruti, mein Sohn ist zu Fuß unterwegs nach China. Kann er aus Rußland oder der Mongolei kommend dort vor Ort ein Visum für China erhalten?
Viele Grüße
Hi Peter,
zu Fuß, krass, starkes Vorhaben! Ich kann Dir Deine Frage nicht hundertprozentig beantworten, aber ich weiß, dass man ein Visum für China auch in anderen Ländern bekommen kann. Ich habe selber eines in HongKong bekommen. Allerdings kann ich Dir nicht sagen, ob es in der Mongolei oder in Russland möglich ist für Deutsche. Da müsste Dein Sohn mal beim Konsulat oder der Botschaft anrufen.
Schöne Grüße und viel Spaß Deinem Sohn!
Hey, hast du dich während der zugfahrt selbst verpflegt oder hast du auch das angebot des speisewagen genutzt? Mich interessiert mit welcher Währung man dort bezahlen darf. Wir starten in Irkutsk und fahren durch bis Peking. Ich hab bedenken zu viel rubel wieder nach Hause zu nehmen. Wie hast du das gehandhabt??
Gruß, Madeleine
Hi,
ich war genau auf dieser Strecke auch im Speisewagen. Dort kann man mit Dollar zahlen. Euro und Kreditkarte weiß ich nicht mehr, aber US Dollar gehen. Und an der chinesischen Grenze wechseln sie 4 bis 6 Stunden lang die Räder unter dem Zug und man darf während dieser Zeit nicht aufs Klo gehen. Also, wenn ihr Vodka trinkt im Speisewagen geht lieber nochmal vorher….
Und kein Wort darüber, wie teuer die Fahrkarten für die Hin- und Rückreise waren?
Dabei ist das doch fast die wichtigste Frage, wenn man sich für diesen Reiseweg entscheidet!
Peinlich…
Danke für Deine Kritik. Ich habe die Preise für die Tickets bis nach Peking ergänzt.
Ach: so genau hast du den Artikel anscheinend gar nicht gelesen. Sonst wäre Dir sicher aufgefallen, dass ich nicht zurückgereist bin. Aber ich will das nicht gleich als peinlich bezeichnen;)
Hallo Ruti, ich verschlinge gerade deinen Block. Super! Habe erhebliche Eheprobleme und will nach China. Weisst du noch wieviel zeitlichen Vorlauf du gebraucht hast? Viele Grüße GiSi
Hi,
Du brauchst eigentlich nur Vorlauf wegen der Visa (China und Russland). Da würde ich mit allem so einen Monat rechnen. Jetzt in Coronazeiten könnte so eine Reise allerdings schwierig sein.
Alles Gute
Ruti