Ukraine – Weißrussland – Russland: ein unnötig komplizierter Trip

Grodno - Grenzstadt in Weißrussland ganz nah an Polen (Foto: Ruti)

Ob am Flughafen, im Zug oder mit dem Bus – beim Passieren von Grenzen werde ich oft mit seltsamen Einreisebestimmungen konfrontiert und erlebe ungewöhnliche Geschichten. In meiner Reihe „Grenzerfahrungen“ berichte ich von meinen Erlebnissen am Schlagbaum.

Die heutige Erfahrung handelt von meiner WM-Reise #rutinachrussland, der einmaligen Gelegenheit, die Landesgrenze zwischen Weißrussland und Russland zu überqueren und jeder Menge Komplikationen.

Die Geschichte beginnt in der Ukraine, die ich mit dem Bus von Polen erreicht und damit die Europäische Union verlassen hatte. Dafür reichte zwar der Personalausweis nicht mehr aus, aber mit einem Reisepass war ich bestens ausgerüstet. Ein Visum braucht man als EU-Bürger nicht. Komplizierter wurde es erst später.

Ich verbrachte einige Tage in Lwiw und buchte dann den Nachtbus nach Brest in Weißrussland.

Mit doppeltem Visum nach Weißrussland

Mein Visum für Weißrussland. (Foto: Ruti)
Mein Visum für Weißrussland

Dafür hatte ich sowohl ein Visum als auch die FAN-ID, die man mit dem Erwerb eines WM-Tickets bekam und die sowohl zur visafreien Einreise nach Weißrussland als auch nach Russland berechtigte. Warum ich beides hatte, habe ich bereits in einem anderen Blogbeitrag erklärt.

Der Bus startete um 22:30 Uhr und erreichte die Grenze gegen 3:00 Uhr in der Nacht. Da ich für das Visum bezahlt hatte, beschloss ich mit diesem in Weißrussland einzureisen und die FAN-ID erst einmal stecken zu lassen.

Dieser Bus brachte mich vom ukrainischen Lwiw ins weißrussische Brest - also nicht der links vorne, sondern der rechts hinten. (Foto: Ruti)
Dieser Bus brachte mich vom ukrainischen Lwiw ins weißrussische Brest – also nicht der links vorne, sondern der rechts hinten.

Auf der ukrainischen Seite stieg ein Beamter in den Bus und sammelte die Pässe ein. Dann verging eine knappe Stunde, bis ich das Dokument mit samt dem Ausreisestempel wieder bekam.

„Nach Brest“

Dieser Beitrag ist Teil folgender Serien

Der Bus fuhr ein paar Meter weiter zur weißrussischen Seite. Alle Passagiere wurden aus dem Bus gebeten und wir sollten mit unserem gesamten Gepäck in ein Grenzhäuschen gehen. Dort wurde es durchleuchtet. Dann fand die Einreiseprozedur statt. Als ich an der Reihe war, kontrollierte die Beamtin meinen Passausführlich und fragte mich, wohin ich fahre. „Nach Brest“, antwortete ich, sie nickte, stempelte meinen Pass und ich war durch.

Eine einmalige Gelegenheit

11 Tage später befand ich mich in Wizebsk nahe der russischen Grenze. Eigentlich hatte ich vorgehabt, von dort aus nach Russland einzureisen.

Allerdings ist es normalerweise für Menschen, die keine Russen und keine Weißrussen sind, nicht möglich, diese Grenze zu überqueren. Ausnahmen gibt es, wenn man Weißrussland nur als Transitland, also zur Durchreise nutzt. Dafür war ich aber zu lange in Weißrussland. Außerdem hatte ich ein normales Touristenvisum.

Während der WM war es jedoch erlaubt, von Weißrussland nach Russland zu reisen, wenn man die FAN-ID hat. Ein russisches Visum ist dann nicht nötig gewesen.

Erst nach Wizebsk gefahren, dann recherchiert

Für diesen Grenzübertritt war ich extra nach Wizebsk gefahren. Allerdings recherchierte ich einen Tag vorher nochmal im Internet und fand heraus, dass der Grenzübertritt nur an drei bestimmten Stellen erlaubt war. Und der, den ich nehmen wollte, gehörte nicht dazu.

Ich kam dadurch leicht ins Schwitzen, weil mein Visum nur noch einen Tag gültig war und ich erst noch zu einem anderen Ort namens Orscha fahren musste, von wo aus der Zug die erlaubte Route nehmen würde.

Fahrkarte nicht für Drittbürger

Mit dem Bus war ich extra nach Wizebsk unweit der russischen Grenze gefahren, musste dann aber mit der Eisenbahn woanders hin. (Foto: Ruti)
Mit dem Bus war ich extra nach Wizebsk unweit der russischen Grenze gefahren, musste dann aber mit der Eisenbahn woanders hin.

Zunächst versuchte ich Tickets für diesen Zug über das Internet zu kaufen. Das ging aber nicht, da ich meine Passnummer eingeben musste und das System nur russische und weißrussische Pässe akzeptierte, da die Grenze eben nur für diese Bürger Passierbar ist – normalerweise.

Also lief ich zum Busbahnhof und erklärte meine Situation, was ein bisschen schwierig war, da ich zwar Russisch spreche, aber nicht so gut, dass ich so komplizierte Sachverhalte spielend leicht erklären kann.

Die Frau am Schalter war auch verwirrt. Wahrscheinlich war ich der erste Ausländer, der mit diesem Anliegen in Wizebsk auftauchte. Ich erklärte ihr, dass ich mit der FAN-ID nach Russland fahren dürfe und versuchte dabei einen möglichst souveränen Eindruck zu vermitteln. Sie wälzte ein dickes Buch und holte dann noch eine Kollegin zu Hilfe. Aber schließlich verkaufte sie mir das Ticket. Teil eins war geschafft.

Dann musste ich ins Nebenhäuschen des Bahnhofs, das für den Nahverkehr zuständig war und kaufte dort ein Ticket nach Orscha.

Würde ich an der Grenze stranden?

Am nächsten Tag war ich dann ein wenig aufgeregt, ob das alles so funktionieren würde, oder ob ich dann an der Grenze stranden würde, weil mein Visum auslief und ich so weder zurück nach Weißrussland noch nach Russland konnte. Aber ich sagte mir immer wieder, dass ich die FAN-ID hatte und das schon klappen würde.

Kein Stopp an der Grenze

Der Bahnhof in Orscha - hier wartete ich auf den hoffentlich richtigen Zug nach Russland. (Foto: Ruti)
Der Bahnhof in Orscha – hier wartete ich auf den hoffentlich richtigen Zug nach Russland.

Im russischen Raum muss man dem Schaffner, beim Einsteigen in den Zug, immer seine Fahrkarte und sein Ticket präsentieren. Das tat ich und zeigte ihm auch meine FAN-ID, für die er sich aber nicht wirklich interessierte.

Von Orscha aus, fuhr der Zug mit mehreren Stopps nach Smolensk in Russland. Irgendwann kam ich dort an, stieg aus und lief zu meinem *Apartment. An der Grenze hatte der Zug nicht gehalten, es gab keine Kontrollen, nix.

Wer in Russland schon mal Zug gefahren ist, weiß: Dieses Türkis ist die typische Farbe der Bahnhöfe. Dieser hier ist der in Smolensk. (Foto: Ruti)
Wer in Russland schon mal Zug gefahren ist, weiß: Dieses Türkis ist die typische Farbe der Bahnhöfe. Dieser hier ist der in Smolensk.

Kein Ausreise-, kein Einreise-Stempel

Drei Wochen nach meiner Abreise hatte ich es geschafft. Ich war in Russland angekommen. (Foto: Ruti)
Drei Wochen nach meiner Abreise hatte ich es geschafft. Ich war in Russland angekommen. (Foto: Ruti)

Das lag daran, dass Russland und Weißrussland einen Staatenbund bilden. Das ist so ähnlich wie in der EU. Es gibt keine Grenzkontrollen. Ich verstand das nicht. Denn ich hatte auf meinem Visum einen Einreise-Stempel von Weißrussland. Nun war ich aber mit der FAN-ID nach Russland gefahren. Laut Pass hatte ich Weißrussland aber nie verlassen und Russland nie betreten.

Ich war verwirrt, kümmerte mich aber nicht weiter darum und die WM ging ins Land.

Nachfragen vs. riskieren

Nervös wurde ich erst wieder, als meine Ausreise aus Russland bevorstand. Denn ich hatte wieder mal in diesem verdammten Internet recherchiert. Dort hatte ich herausgefunden, dass ich bei der Einreise von der Ukraine nach Weißrussland hätte sagen müssen, dass ich nach Russland wollte. Dann hätte ich eine Migrationskarte bekommen. Diese wollen die Beamten bei der Ausreise aus Russland wieder einsammeln. Sonst könnte es Ärger geben. Von Geldstrafen bis zu einer fünfjährigen Verbannung aus Russland war da die Rede.

Mein Plan war, Russland mit dem Flugzeug in Richtung Deutschland zu verlassen. Ein brasilianischer Freund, mit dem ich mich auf einen Kaffee traf und davon erzählte, riet mir, in Moskau zu einer örtlichen Abteilung des russischen Innenministeriums zu gehen und mein Problem zu erklären. Da würden sie mir die Migrationskarte bestimmt ausstellen. Direkt an den Flughafen fahren, würde er nicht. Mit den russischen Beamten sei schließlich nicht zu spaßen und wenn es dumm liefe, würden sie mich so lange aufhalten, dass ich meinen Flug verpasse.

Meine russische Freundin hingegen meinte, ich sollte gar nichts machen und einfach auf dumm tun am Schalter. Während der WM sei sowieso alles erlaubt und sie würden mich einfach durchlassen – mit oder ohne Migrationskarte.

Da ich ein fauler Mensch bin, Einheimische immer recht haben und mir auf dumm tun nicht schwer fällt, beschloss ich, es zu riskieren.

Viele Fragen, zwei Telefonate und ein unkooperativer PC

Die FAN-ID ist ein Ausweis, den jeder WM-Ticket-Besitzer zusätzlich beantragen muss. Sie gilt auch als Visum. (Foto: Ruti)
Die FAN-ID ist ein Ausweis, den jeder WM-Ticket-Besitzer zusätzlich beantragen muss. Sie gilt auch als Visum.

Ich fuhr also frühzeitig zum Flughafen, checkte ein, ging durch die Sicherheitskontrolle und betrat die Passkontrolle. Ich war nervös, versuchte aber erneut einen möglichst souveränen Eindruck zu machen. Schließlich hatte das beim Fahrkartenkauf in Weißrussland auch geklappt.

Ich gab der streng dreinblickenden Beamtin meinen Pass und die FAN-ID. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sie nach meiner Migrationskarte fragte. „Ich bin über Weißrussland eingereist und habe deshalb keine“, antwortete ich, als ob das ganz normal sei. „Warum sind sie denn über Weißrussland eingereist“, fragte sie mit misstrauischem Ton. Hier kam ich schon ins Straucheln und sagte: „Ähhhh, keine Ahnung, einfach so. Ich bin aus der Ukraine gekommen.“ „Was? Ukraine? Warum das denn?“ Anstatt „Tourismus“ zu sagen, stammelte ich ein paar „Ähhhs“, „Emms“ und „Öhhs“ vor mich hin. Sie nahm den Telefonhörer und rief jemanden an.

Geschafft - ich sitze in der Aeroflot nach Frankfurt. (Foto: Ruti)
Geschafft – ich sitze in der Aeroflot nach Frankfurt.

Danach fragte sie, ob ich denn ein WM-Spiel besucht hatte. „Ja, in St. Petersburg“, antwortete ich. Ich war so schlau gewesen, dass Ticket aufzuheben und parat zu haben. Denn das wollte sie nun sehen.

Nach einer Rücksprache mit dem Kollegen in der Nachbarkabine, schien sie überzeugt und gab die Nummer meiner FAN-ID in den Computer ein. Der aber akzeptierte diese nicht. Wieder griff sie zum Telefonhörer. Das änderte zwar nichts an meiner FAN-ID-Nummer und dem Computer, aber nun entschied sie sich offenbar für die Scheiß-drauf-Variante und ich vernahm das beruhigende Geräusch des Stempels. Es hatte zwar 15 Minuten gedauert, aber meine Freundin hatte recht gehabt.

2 Kommentare

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

  • Moin,

    spannender Bericht! Weißrussland und die anderen Staaten in der Umgebung habe ich noch gar nicht auf dem Schirm, wahrscheinlich auch gerade weil man ein paar Dinge beachten muss, wenn man dort einreisen möchte. Werde ich mir definitiv merken, wenn es soweit sein sollte.

    Beste Grüße

    Tobias

    • Hi Tobias,
      Danke für Deinen Kommentar. Es gibt ein paar Möglichkeiten, Weißrussland und Russland ohne Visastress zu besuchen. Wenn Du mit dem Flugzeug nach Minsk ein- und ausreist, darfst Du (jetzt ganz neu) 30 Tage ohne Visum bleiben, auch Grodno im polnisch-litauischen Dreiländereck geht 5 Tage ohne. St. Petersburg in Russland kannst Du ebenfalls ohne Visum besuchen, wenn Du eine Kreuzfahrt von Helsinki machst und weniger als 72 Stunden in der Stadt bleibst. Grüße Ruti