Die irre Grenze der Transmongolischen Eisenbahn

Da stehts: von Moskau über Ulaanbaatar nach Beijing - das sind knapp 8000 Kilometer mit dem Zug. (Foto: Ruti)

Ob am Flughafen, im Zug oder mit dem Bus – beim Passieren von Grenzen werde ich oft mit seltsamen Einreisebestimmungen konfrontiert und erlebe ungewöhnliche Geschichten. In der Reihe „Grenzerfahrungen“ berichte ich von meinen Erlebnissen am Schlagbaum.

Die heutige Geschichte handelt von dem irren Grenzübertritt mit der Transmongolischen Eisenbahn auf dem Weg von Russland nach China.

Von der Transsibirischen Eisenbahn hat wohl jeder schon einmal gehört. Aber wenn Du in Sibirien bei Irkutsk nach Süden abbiegst, kommst Du auf eine Strecke, die vom Namen her zwar weniger bekannt, aber bei Reisenden extrem beliebt ist. Denn sie führt Dich von Russland aus am Rande des Baikalsees entlang durch die Steppe der Mongolei bis in die chinesische Hauptstadt Beijing. Diese Strecke wird die Transmongolische Eisenbahn genannt.

Zwei Grenzen werden passiert

Die ersten Grenzbeamten, mit denen ich dort Bekanntschaft machte, waren Russen. Als der Zug gerade das größte Land der Erde verließ, stoppte er und drei Zollbeamtinnen stiegen ein. Die erste führte eine Gepäckkontrolle durch. Als sie in mein Vierer-Abteil kam, mussten wir die Taschen öffnen und die Bänke, auf denen wir saßen und unter denen unsere Rucksäcke verstaut waren, hochklappen. Sie schaute gar nicht richtig in die Taschen und auch die Rucksäcke waren ihr nicht wichtig. Ich glaube, sie überprüfte nur, ob irgendwelche blinden Passagiere an Bord waren.

Die nächste Zollbeamtin war für die Passkontrolle zuständig. Sie inspizierte das Dokument akribisch, blätterte es bestimmt fünf mal durch und überprüfte die Visa. Dabei benutzte sie eine spezielle Lupe. Dann zog sie die elektronische Karte des Passes durch ein Gerät.

Ist das der Mann auf der Passbild?

Weil ich ganz anders als auf meinem Passbild aussah, musste ich aufstehen und sie verglich mich mit meinem Foto bestimmt drei Minuten lang. Dann holte sie auch noch einen Kollegen dazu, der mit einschätzen sollte, ob ich der Mann auf dem Foto sein könnte.

Schließlich hörte ich das beruhigende Geräusch des Stempels. Danach kam die dritte Zollbeamtin in unser Abteil und schaute erneut, ob sich irgendwo jemand versteckte. Sie fand nichts, aber bis alle Passagiere die Prozedur durchlaufen hatten, waren zwei Stunden vergangen. Dann zuckelte der Zug wieder los. Nach ein paar Metern Fahrt durchs Niemandsland erreichte er das Tor zum einstigen Reich von Dschingis Khan.

Südafrika und der schuldige Blick

Dort wurde erneut unser Abteil durchsucht. Dann mussten wir Formulare ausfüllen – eins für die Einreise und eins für die Einführung von Gütern.

Beamte sammelten unsere Pässe ein und nahmen sie mit. Wenig später kam ein Herr in Militärkleidung, an der eine Menge Orden hingen, und erkundigte sich nach unseren Nationalitäten. Woher ich kam, war ihm ziemlich egal, aber meine beiden Kabinen-Nachbarn aus Südafrika fand er interessant. Er fragte irgendwas mit Südsudan. Sie verneinten. Er lächelte und ging weiter. Sein autoritär-militaristischer Look passte so gar nicht zu seinem äußerst freundlichen Auftreten.

Rob und Catherine waren auf dem Weg von Irkutsk nach Ulaanbaatar meine mein Abteil-Genossen aus Südafrika. (Foto: Ruti)
Rob und Catherine waren auf dem Weg von Irkutsk nach Ulaanbaatar meine mein Abteil-Genossen aus Südafrika.

Als nächstes erschien eine Dame, die uns fragte, ob wir was zu verzollen hätten. Wir verneinten erneut. Daraufhin schaute sie uns einige unangenehme Sekunden lang tief in die Augen. Auf Catherine (die Südafrikanerin) blieb ihr Blick etwas länger hängen. Dann wandte sie sich ab. Ihr Freund Rob riet ihr, nicht schuldig zu gucken.

Hallo Mongolei!

Während wir weiter warteten, kam ein Typ durch den Zug, der Rubel in Tugrik (die mongolische Währung) wechselte. Wir überlegten, er setzte sich zu uns ins Abteil und schloss die Tür, was ich etwas seltsam fand. Nachdem wir seinen Wechselkurs überprüft und für zu schlecht befunden hatten, verabschiedeten wir ihn wieder freundlich.

Eine halbe Stunde verging und ein neuer Zollbeamter erschien, der uns unsere Pässe zurückgab. Als er mir meinen aushändigte, zeigte er auf mein Bild und lachte. Daraufhin lachten alle.

Der Zug ruckelte und zuckelte dann noch eine halbe Stunde und fuhr einige Meter vorwärts und rückwärts. Dann waren wir in der Mongolei.

Nervöser Aufbruch Richtung China

Zwei Wochen später befand ich mich erneut im Zug. Dieses Mal war es ein chinesischer Waggon. Ich fuhr nach Beijing.

Genau wie vor meiner ersten Einreise nach Russland war ich nervöser als sonst. Denn von China hört man ja immer so schlimme Dinge.

Halbherzige Gepäckkontrolle

An der Grenze wurden wieder einmal unsere Pässe eingesammelt. Die Emigration Card und die Güterverzollungskarte hatten wir bereits ausgefüllt, sollten sie aber zunächst behalten.

Nach einer Viertelstunde wurde unser Gepäck kontrolliert. Dieses Mal öffneten sie meinen Rucksack. Sie wollten auch das Gepäck meiner Kabinen-Genossen kontrollieren, weil aber überhaupt kein Platz in unserem Abteil war, verzichteten sie einfach darauf.

Wir warteten eine halbe Stunde und bekamen unseren Pass zurück. Damit war die Ausreise aus der Mongolei geschafft.

Der Fahrplan der Transmongolischen Eisenbahn (Foto: Ruti)
Der Fahrplan der Transmongolischen Eisenbahn Ein paar Stationen sind es schon…

Die Grenze nach China

Eine Stunde später erreichten wir die chinesische Grenze. Ihr ahnt es: Wieder sammelten Zollbeamte unsere Pässe samt Einreise- und Güter-Karte ein. Dann mussten wir erneut unsere Bänke – unter denen das Gepäck verstaut war – anheben. Mehr aber nicht. Wie immer wollten sie offenbar nur sehen, ob sich da Menschen versteckten.

Kurz darauf erschien jemand, der kurz in unser Abteil hineinschaute, auf Chinesisch grüßte und weiter ging.

Dieses Mal war es nicht Südafrika, sondern Österreich

Der nächste Beamte ließ nicht lange auf sich warten. Er wollte wissen, aus welchem Land wir stammen und notierte es. Bei mir im Abteil war eine Österreicherin. Und Österreich kennen viele Asiaten einfach nicht.

Im Englischen heißt Österreich „Austria“. Wann immer ich mit einem Reisenden aus der Alpenrepublik unterwegs war, reagierte man in Asien mit: „Ahh, Australia.“ Genauso war es auch diesmal. Nachdem die junge Frau mehrere Male verneint hatte, aus Australien zu kommen, nickte der Beamte verwirrt und notierte irgendwas in sein Heftchen. Ich nehme an, es war „Australia“.

Sie wechseln tatsächlich die Räder

Knapp zwei Stunden später bekamen wir unsere Pässe zurück. Die Einreise mit dem Zug nach China ist aber etwas ganz Besonderes. Denn die Spur der Gleise ist eine andere, als in der Mongolei und in Russland. Deshalb müssen am gesamten Zug die Räder gewechselt werden. Während dieser Prozedur bleiben die Passagiere im Zug. Das dauert ein paar Stunden. Und während dieser Zeit sind die Toiletten verschlossen.

Die verschlossenen Klos

Ich erwähne die Sache mit den Toiletten deshalb, weil ich mich auf der Fahrt im Speisewagen mit anderen Touristen amüsiert und eine ganze Menge Wodka in mich hineingeleert hatte. Deswegen hatte ich nicht nur gut einen sitzen, sondern musste auch ziemlich doll aufs Klo. Wie der Zug angehoben und immer wieder ein paar Meter vor und zurückgeschoben wurde, nahm ich nur von meiner Pritsche aus, wo ich „Aushalten“ spielte, weil mir die Blase zum Bersten drückte.

Noch schlimmer erging es aber meiner englischen Bekannten Amy, von der der geneigte RutisReisen-Leser bereits das ein oder andere Mal gelesen hat. Sie musste so sehr aufs Klo, dass eine Wartezeit von vier bis sechs Stunden ausgeschlossen war.

Jetzt gabs Ärger

Also bettelte sie die mongolische Zugbegleiterin an, doch bitte die Toilette zu öffnen. Die aber schüttelte mit dem Kopf und blieb hart. Also tat Amy, was sie tun musste und verrichtete ihr kleines Geschäft in einen Putzeimer, der im Zug herumstand.

Als die Zugbegleiterin das mitbekam, wurde sie fuchsteufelswild und wollte Amys Pass nicht mehr herausrücken. Noch dazu beschwerte sie sich wutentbrannt bei den chinesischen Beamten.

Denen war das Drama um das kleine Geschäft in dem Putzeimer aber ziemlich egal. Sie nahmen der  wütenden Zugbegleiterin den Pass ab und gaben ihn Amy zurück. Freunde wurden Amy und die Zugbegleiterin allerdings nicht mehr.

Damit war Amys Problem gelöst, ich aber lag zwei weitere schmerzhafte Stunden auf meiner Pritsche, bis diese gottverdammten Räder endlich gewechselt waren. Die Schläge, die der Zug tat, gingen mir direkt auf die Blase und als er endlich weiterfuhr, konnte ich kaum noch mein Hochbett hinunterklettern, um die Toilette zu erreichen. Es war einer der schönsten Momente meiner Reise, als der Druck aus meiner Blase entwich.

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