Was Holi genau bedeutet, habe ich auch danach nicht verstanden. Das ist typisch für den Hinduismus. Er ist einfach nicht zu verstehen. Zumindest nicht von mir – und da Holi ein hinduistisches Fest ist, schließt sich hier der Kreis. Aber beschreiben kann ich Holi schon:
Das Holi-Fest wird im Norden Indiens gefeiert und zwar dann, wenn der kalte Winter zwar schon weg ist, die brutale Hitze des Sommers aber noch nicht zugeschlagen hat. Nach unserer Zeitrechnung ist das Anfang März, wenn Vollmond ist. Nach hinduistischer Zeitrechnung fällt Holi auf den ersten Vollmond des Monats Phalguna.
Das Video dazu gibts im Titelbild oder wenn Du hier klickst!
Ob Indien oder Europa – wenn der Winter geht, wird gefeiert
Somit ist Holi also ein Frühlingsfest und wie bei uns werden im Frühling die Geister des Winters vertrieben. Das Gute siegt über das Böse. Dunkel geht, Licht bzw. Farbe kommt.
Obwohl Holi ein Fest des Nordens ist, kannst Du es auch im Süden Indiens erleben, beispielsweise in Goa. Allerdings wird es dort für die Touristen zelebriert, weil die Leute aus dem Westen die Farben so gern haben. Das muss aber nicht schlecht sein. Denn Holi wird auch im Norden in verschiedenen Städten sehr unterschiedlich gefeiert. An einigen Orten geht es spiritueller zu als in anderen. Mancherorts schlagen Frauen Männer mit Stöcken. In Pushkar wird eine fette Party gefeiert. Dort habe ich Holi verbracht.
Alle nach Pushkar!
Pushkar ist ein kleines Städtchen im Bundesstaat Rajasthan – und Rajasthan beginnt ein paar Stunden südlich von Delhi und gehört zu den von Touristen meist besuchten Gegenden in Indien.
Ich hatte Pushkar bereits vier Wochen vor dem Holi-Fest besucht. Weil es mir gut gefallen und ich erfahren hatte, dass Holi hier groß gefeiert wird, beschloss ich, zurückzukehren, wenn der erste Vollmond im Monat Phalguna erstrahlt.
Auf diese Idee war nicht nur ich gekommen. Wen immer ich auf meiner Reise durch den Wüstenstaat traf, der wollte Holi in Pushkar feiern. So gesellten sich zu den 20.000 Menschen, die dort heimisch sind, an Holi noch weitere 20.000. Solch einen Auflauf gibt es in Pushkar genau zweimal im Jahr: An Holi und wenn der große Kamel-Markt ansteht.
Holi beginnt mit Feuer
Die Feierlichkeiten begannen am Abend des Vollmonds. Auf einem kleinen Platz im Zentrum Pushkars wurde ein mehrere Meter hoher Haufen aus Stroh errichtet. Die Menschen drängten sich drumherum, legten Opfergedecke auf den Haufen und Musiker sorgten für die Unterhaltung.
Alle warteten darauf, dass der Haufen angezündet und damit der Startschuss für Holi fällt. Bei Wikipedia habe ich gelesen, dass in dem Haufen eine Figur der Dämonin Holika verbrannt und an Holi somit ihre Vernichtung gefeiert werde. Allein von der phonetischen Nähe beider Namen würde das Sinn machen. Von der Figur habe ich allerdings nichts gesehen. Aber es waren, wie gesagt, auch 20.000 Menschen auf einem nicht sonderlich großen Platz und ich stand nicht in der ersten Reihe.
Bevor das Feuer gen Himmel loderte, wurden über eine Stunde lang Mantras gesprochen. Dann begann die Feier und die Menschen tanzten. Der spektakuläre Teil lag aber noch vor mir.
Hunderttausend Lagen Farbe
Am nächsten Morgen, stand ich um 7 Uhr auf und rieb mich mit Palmöl ein – weil Holi bereits am Nachmittag vorüber sein sollte und weil ich mir sagen lassen hatte, dass die Farben sich von einer öligen Haut hinterher besser abwaschen lassen. Ich war aufgeregt und hoffte, dass auch ordentlich mit Farbpulver geschmissen würde.
Meine Sorge war unberechtigt. Nach 5 Minuten war ich bereits komplett mit Farbe übersät. Dabei hatte ich mich noch gar nicht richtig ins Getümmel geworfen, sondern war nur zum Lassi-Shop meiner Wahl gelaufen, um mich in den richtigen Gemütszustand für Holi zu versetzen.
Holi feiert man am besten high
Denn an Holi sollst Du high sein, heißt es. Und wenn schon Holi, dann richtig. Also frühstückte ich einen Joghurt-Drink, der Lassi genannt wird, versetzt mit dem Rauschmittel der Marihuana-Pflanze. Das nennt man Bhang.
Danach warf ich mich ins Getümmel. Tausende waren auf den Straßen und alle warfen mit Farbe um sich und schmierten sie sich gegenseitig ins Gesicht. Manche füllten die Farbe in ihre Super Soakers und beschossen ihre Mitmenschen. Das ist das Zeug, dass kaum noch von der Haut abgeht. Dazu dröhnte Musik aus allen Ecken und Enden – meistens Trance.
90 Prozent Männer
Die Luft war dick, von den Farbpartikeln, die sie durchdrang. Meine Kokosnussöl-Haut wechselte ständig die Farbe. Alle waren high und alle tanzten.
Ich schätze, dass 90 Prozent der Feierenden Männer waren. Indische Frauen gehen nicht feiern, schon gar nicht ohne männliche Begleitung – oder nur sehr wenige. Entsprechend wild ging es zu.
Als Ausländer ist man in Indien immer besonderer Aufmerksamkeit ausgesetzt – als Frau erst recht. In der Masse möchte jeder Kontakt mit ihnen aufnehmen und der ein oder andere will auch mal anfassen. Deswegen meiden sie es meist, in die ganz engen Menschentrauben zu gehen. Denn dort herrschte ein stundenlanger Nonstop-Moshpit. Es war eng, heiß und laut.
Die liebliche Stille danach
Um 15 Uhr war die Party vorbei. Der Ortskern lichtete sich und übrig blieben lila gefärbte und in Pulver getauchte Straßen.
Ich ging zu meinem Guest House, rauchte eine Tüte zum Runterkommen, genoss die Stille und beobachtete den Affen, der in der Sonne saß und Bananen aus dem Mülleimer vor meinem Zimmer klaute, schält und aß. Dann wusch ich die Hundert Lagen Farbe von meinem Körper.
Wen immer ich später in Pushkar traf, fragte ich nach seiner Holi-Erfahrung. Die Antwort war nie „Good“ oder „Bad“, sondern so gut wie immer „Intense“. Das trifft es ziemlich genau.
Kommentieren