Wir schreiben das Jahr 0. Eine hochschwangere Frau namens Maria und ihr Mann Josef sind in Bethlehem auf der Suche nach einem Schlafplatz. Doch nirgends kommen sie unter. Irgendwann hat eine Bauersfrau Mitleid und bietet dem Paar ihren Stall an. In diesem Stall bringt Maria in jener Nacht Jesus Christus zur Welt.
Heute steht über dem Stall eine Kirche. Sie zu besuchen, war der Grund unserer Reise nach Bethlehem. Allerdings haben wir auf dem Weg dorthin auch Bekanntschaft mit der isrealischen Speeranlange, einem gigantischen Terrorschutzwall, gemacht. Und die Sache mit dem Stall war auch ein wenig anders als erwartet.
Abenteuer Palästina
Ich war anlässlich des Europa-League-Spiels von Eintracht Frankfurt bei Maccabi Tel Aviv in Israel. Diese Gelegenheit habe ich zusammen mit mit vier Jungs genutzt, um ein paar Highlights des Landes zu erkunden. Zunächst besuchten wir Jerusalem. Eine Übernachtung später stand ein Abstecher nach Bethlehem auf dem Plan.
Bethlehem ist gerade einmal 10 Kilometer von der Altstadt Jerusalems entfernt, gehört aber zu Palästina, genau genommen zum Westjordanland im palästinensischen Autonomiegebiet.
Der erste Blick auf die isrealische Sperranlage
Wir waren mit dem Mietwagen unterwegs und in null komma nix vor den Toren der Geburtsstadt Jesu. Die Grenze war hier durch einen großen Zaun sichtbar und es gab Wachtürme. Auf einmal wurden wir von Taxifahrern gestoppt. Die sagten uns, dass wir nicht einfach so nach Bethlehem hineinfahren dürften und boten uns für 100 Schekel pro Person (etwa 21 Euro) ein Taxi über die Grenze und eine Führung durch die Geburtskirche an. Wir sagten zu, parkten unser Auto am Zaun, stiegen in das Taxi und passierten die Grenze unspektakulär. Kontrollen gab es nicht.
Der Zaun und die Grenztürme hatten bereits ein wenig bedrohlich gewirkt, aber das war nichts gegen das, was uns jetzt begegnete: die 8 Meter hohe Grenzmauer, ein Koloss aus Beton.
Bethlehem ist durch sie von Israel abgetrennt. Damit sollen Terroranschläge verhindert werden. Wir passierten die Mauer auf unserem Weg in die Stadt und staunten.
Mit dem Pferd durch die Tür
In Bethlehem übergab uns der Taxifahrer dem Guide. Der erzählte uns, dass Palästinenser die Mauer, im Gegensatz zu uns, nicht ohne Weiteres passieren dürften. Sie benötigten eine Genehmigung. Jeden Morgen müssten sich die Menschen auf dem Weg zur Arbeit Kontrollen unterziehen. Mich erinnerte sie an die Berliner Mauer.
Der Guide führte uns zur Geburtskirche, die einen seltsamen Eingang hat. Anstatt eines prunkvollen Tores ist da eine nur 1,20 Meter hohe und recht schmale Tür. Sie wirkt wie eine primitive Öffnung im Gemäuer. Um reinzukommen, muss man sich bücken. Deshalb wird sie „Demutspforte“ genannt. Früher war die Tür mal größer. Weil aber die Besucher immer mit dem Pferd in die Kirche geritten sind, hat man sie zugemauert, damit sie absteigen müssen. Die Umrisse der ursprünglichen Tür sind immer noch erkennbar.
Jesus wurde in einer Höhle geboren!
Das Innere der Kirche ist aufgeteilt in einen griechisch-orthodoxen, einen armenisch-orthodoxen und einen römisch-katholischen Teil. Ganz vorne im Kirchenschiff ist das Gedränge am größten, denn hier geht es zum Stall – naja in Wirklichkeit geht es in eine Höhle, die sogenannte „Geburtsgrotte“ Jesu. Darin ist eine Stelle mit einem 14-zackigen Stern gekennzeichnet. Genau dort soll Jesus das Licht der Welt erblickt haben. Von ruhigem Innehalten konnte aber keine Rede sein. Es herrschte großes Gedränge. Es gab sogar einen Wachdienst, der die Massen bändigte und immer nur eine bestimmte Anzahl in die Grotte hinunter ließ. Dort schoben sich alle am Stern vorbei. Die Leute wollten ihn unbedingt berühren oder irgendwelche Rituale damit vollziehen. Als ich ein Foto von dem Stern machen wollte, habe ich ungefähr 15 Versuche gebraucht, bis mal nicht irgendwer im Bild stand.
Irritiert war ich wegen der Höhlengeschichte. Wo denn jetzt der kleine Holzstall, der bei uns immer unterm Weihnachtsbaum stand, sei, wollte ich von unserem Guide wissen. Der verstand meine Irritation nicht wirklich, erklärte mir aber, dass die Tiere zur Zeit Jesu in Höhlen wie der Geburtsgrotte gehalten wurden. In meinem Rätseln um den Holzstall reimte ich mir daraufhin zusammen, dass die Weihnachtsgeschichte unserem Kulturkreis angepasst worden sein muss und bei uns ein handelsüblicher Holzstall daraus wurde. Enttäuscht war ich trotzdem. Wenn jetzt noch einer sagt, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt…
Mein Kumpel Weide hat die Gelegenheit genutzt, um sich vor dem Herrn in ein gutes Licht zu rücken. In christlichster Manier half er einer alten Frau aus der Geburtsgrotte des Sohnes Gottes die Treppe hinauf. Mir kommen immer noch die Tränen, wenn ich daran denke.
Shawarma und Coca Cola in Bethlehem
Auf dem Rückweg machten wir wieder Stopp in der Stadt. Dort wurden wir in einen Souvenirshop geschoben und ich war irgendwie froh, das wenigstens einer von uns auch etwas kaufte.
Mein Augenmerk lag aber viel mehr auf der gegenüberliegenden Seite der Straße. Dort lachte mich ein Shawarma-Restaurant an. Da haben wir dann auch gegessen und aus, wie ich finde, ganz schön geil aussehenden Cola-Dosen getrunken.
Bedrückende Touristen-Attraktion
Wohl genährt stiegen wir wieder in unser Taxi und fuhren in Richtung Grenze. Da war sie wieder, diese krasse Mauer. Wir ließen den Fahrer kurz stoppen, um sie uns anzuschauen. Wieder ging mir die Berliner Mauer durch den Kopf. Auch wenn die beiden Grenzwälle nichts miteinander zu tun haben, ist es schon schräg, dass unsere Mauer eine indirekte Folge des Nazi-Regimes war und nun eine in Israel steht.
So bedrückend die Mauer wirkt, sie ist auch eine Attraktion. Grund sind mit politischen Botschaften beladene Graffitis, die den grauen Beton bunt färben. Viele Künstler haben sich hier verewigt. Ihre Bilder sprechen von Krieg, Frieden und Freiheit. Und die Einheimischen verdienen Geld an dem Mauer-Tourismus. Es gibt sogar eine Tour, bei der man die Werke von Banksy gezeigt bekommt. Die Graffitis sind beeindruckend. Man betrachtet sie gern und versucht ihren Sinn zu lesen (ein Blick hier auf Google).
Zwei müssen zu Fuß zurück
Als wir weiterfuhren und uns der Grenze näherten, wollte unser Fahrer diese nicht mit 6 Leuten in einem Auto für 5 überqueren. Denn raus aus Palästina ist es nicht so easy wie rein und er wollte keinen Stress mit den Beamten. Also stiegen Moritz und ich aus, verabschiedeten uns sicherheitshalber von den anderen und nahmen den Fußweg.
Der Weg führte durch einen vergitterten Gang in ein Gebäude, das ebenso grau war wie die Mauer. Drinnen wurden unsere Sachen durchleuchtet und wir mussten die Pässe zeigen. Aber es ging alles ratzfatz. Die Grenzbeamten waren an uns nicht interessiert und ihre Maschinengewehre lagen achtlos neben ihnen.
Als wir rauskamen, warteten die anderen bereits auf uns. Wir machten noch ein paar Fotos mit unserem Taxifahrer und uns dann auf den Weg zu unserer nächsten Station, dem Toten Meer.
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