Griechenland: vom Weltmeister-Fluch erwischt

Das WM-Finale 2014 verfolgte ich in der Bar des Flughafen-Hotels in Athen. (Foto: Ruti)

Alles hat seinen Preis. Mit dem WM-Triumph in Brasilien ging eine 24 Jahre währende Durststrecke zu Ende. Die Generation titellos hat endlich auch das letzte Siegel geöffnet und den vierten Stern freigelegt. Doch ebenso wie der Ägyptologe Howard Carter beim Öffnen des Grabes von Tutanchamun den Fluch des Pharaos (mehr dazu) entfachte, der die Beteiligten nach und nach dahinraffte, fordert auch der WM-Titel seinen Tribut: Schweinsteiger, Özil, Neuer – sie alle hat laut der Boulevard-Presse seitdem das Liebes-Aus heimgesucht. Doch es trifft nicht nur die Protagonisten, alle Deutschen sollten gewarnt sein. Denn der Weltmeister-Fluch kann jeden von uns treffen. Schließlich sind wir auch alle Weltmeister geworden. Und ich war sein erstes Opfer.

Das Unheil beginnt mit dem Flug

Es war der Morgen des 13. Juli 2014. Ich öffnete meine Augen auf der Insel Santorin in Griechenland und ich war angespannt. Denn es war der Tag des WM-Endspiels. Eigentlich wollte ich das Finale in der Heimat schauen, mit meinen Freunden in Euphorie badend. Doch als ich und meine russische Urlaubsliebelei, die ich knapp 8 Monate zuvor in Kambodscha kennengelernt hatte, die Reise planten, hatten wir Schwierigkeiten, einen passenden Rückflug von Santorin nach Athen zu finden. Nach intensiver Suche wurde die Lady dann doch noch fündig. Der Flug sollte um 8.45 Uhr starten, so dass wir unsere Anschlüsse in Athen bequem gekriegt hätten und ich rechtzeitig zum Spiel der Spiele, das um 10 Uhr griechischer Zeit beginnen sollte, zu Hause gewesen wäre. Doch in dem Moment, als sie bei der Online-Buchung auf den Bezahl-Button klickte, bemerkte sie, dass da 8.45 p.m. stand. Der Flug ging also nicht morgens, sondern abends, kurz vor dem Anpfiff. Stornierung ausgeschlossen.

Als sie mir von dem Malheur erzählte, war ich zunächst einmal not amused. Die Flugzeit betrug zwar nur etwas mehr als eine halbe Stunde, dennoch würde es  sehr eng werden, rechtzeitig zum Anstoß vor einem Fernseher zu sitzen. Allerdings hatte die WM gerade erst begonnen und wieso sollte es die deutsche Mannschaft nach all den erfolglosen Versuchen ausgerechnet dann schaffen, wenn es für mich dumm läuft? Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich aufgrund der Situation sogar ein wenig auf ein Scheitern gehofft habe. Doch ich ahnte bereits, dass es anders kommen würde.

Erste dunkle Wolken

Also schickte ich erst einmal eine Mail an das Airport-Hotel in Athen, um abzuchecken, ob ich das Finale dort sehen kann. Das ging glücklicherweise und ich buchte ein Zimmer. Es sollte also gerade so hinhauen mit mir und dem Spiel, schief laufen durfte aber nichts. Daher meine Anspannung.

Also schwang ich mich an jenem Finaltag in Santorin aus dem Bett und packte meine Sachen. Nach dem Auschecken stellten wir die Koffer im Hotel unter und wollten den Tag am Strand verbringen. Ich weiß nicht, ob es an meiner Anspannung lag oder der Fluch bereits langsam von mir Besitz ergriff, aber auf der Fahrt zum Strand hatten wir bereits einen größeren Streit. Die Details möchte ich euch ersparen, aber ich war so zornig, dass ich ihre Sozialisation in der russischen Diktatur für ihr, in meinen Augen, Scheiß-Verhalten verantwortlich machte und ich als lupenreiner Demokrat somit moralisch grundsätzlich über ihr stehe.

Als das Gewitter vorbeigezogen war und ich mich wieder beruhigt hatte, verbrachten wir dann aber noch einen entspannten und friedlichen Tag am Strand.

Die Anspannung steigt

Gegen Abend fuhren wir zum Flughafen und stellten den Mietwagen ab. Das verlief reibungslos, weil wir das Auto einfach offen auf dem Parkplatz stehen lassen und den Schlüssel unter die Fußmatte legen sollten.

Als wir den Flughafen betraten, stand ich bereits unter Strom. Auf unserer letzten Santorin-Reise waren nämlich riesige Schlangen an Schalter und Sicherheitskontrolle und ich befürchtete das auch dieses Mal.

Doch es lief alles bestens. Um 8.43 p.m. rollte die Maschine los und setzte um 9.15 in Athen auf. Normalerweise bleibe ich im Flugzeug immer lange sitzen und bin genervt von den Leuten, die sofort aufspringen und sich in Richtung Ausgang drängen. Denn man kommt eh nicht raus, bevor nicht die Tür offen ist. An diesem Sonntag aber sprang ich als Erster aus meinem Sitz, riss das Gepäckfach auf, schnappte mir hektisch meinen Rucksack und drängelte mich in den Gang. Schneller kam ich trotzdem nicht raus.

Das Timing stimmt

Wir hechteten zur Gepäckausgabe und warteten dort, bis unsere Koffer ausgespuckt wurden. Im Laufschritt ging es zum Airport-Hotel, das sich glücklicherweise genau gegenüber des Terminals befindet. Beim Einchecken bestellte ich gleich zwei Bier und einen griechischen Kaffee auf das Zimmer, das wir eine Viertelstunde vor Anpfiff erreichten. Als ich den Fernseher einschaltete, liefen die Mannschaften gerade in das Stadion ein. Ich war so froh, rechtzeitig dort zu sein, dass mir auch die 20 Euro, die für die drei Getränke verlangt wurden, egal waren.

Gemütliches Fußball-Schauen zu zweit war aber leider nicht möglich. Denn die Lady musste in einer knappen Stunde wieder los, um ihren Rückflug nach Moskau zu erreichen. Mein Flug nach Deutschland ging dagegen erst am nächsten Morgen. Also machte sie sich frisch, während ich biertrinkend vor dem Fernseher saß.

König Fußball vs. die Prinzessin

Als der Moment des Abschieds gekommen war, stand ich vor einem Dilemma: Begleite ich sie so weit wie möglich zum Flugzeug und verpasse möglicherweise das entscheidende Tor und den Moment des Triumphes oder bleibe ich vor dem Fernseher und lasse die Dame meines Herzens alleine ziehen? Ich bin nicht besonders stolz darauf, aber ich entschied mich für den Fußball.

Natürlich hatten wir bereits vorher darüber gesprochen und sie mir hundertmal versichert, dass es kein Problem sei. Ich hätte jedoch so viel über Frauen wissen müssen, dass es sehr wohl eines war. Spätestens bei der relativ kühlen Verabschiedung ihrerseits hätte es mir auffallen können. Andererseits spielte doch gerade Deutschland im WM-Finale und die Partie stand auf des Messers Schneide.

Verhaltener Applaus

Nachdem sie fort war, verbrachte ich die reguläre Spielzeit allein im Hotelzimmer. Zur Verlängerung ging ich dann runter in die Bar, weil ich mir dort etwas mehr WM-Stimmung erhoffte.

Dort war zwar auch nicht gerade Halligalli angesagt, aber es waren schon einige Fußballinteressierte da. Bei einem weiteren Bier genoss ich den erlösenden Moment, als uns Mario Götze zum Titel schoss. Via Messages, Fotos und Videos bekam ich mit, dass in Deutschland die totale Euphorie ausgebrochen war. Hier gab es verhaltenen Applaus, dann standen die Leute auf und gingen ins Bett.

Ich freute mich für mich allein, trank zur Feier des Tages noch einen Jacky-Cola und legte mich um 2 Uhr schlafen.

Glück im Spiel, Pech in der Liebe

Zwei Stunden später klingelte der Wecker. Saumüde schleppte ich mich zum Flughafen, checkte erst einmal Facebook und Co. und las alle Stimmen zum WM-Triumph. Im Flugzeug hatte die Lufthansa-Crew ausgedruckte Bilder der Nationalspieler an die Wände geklebt und so Jogis Jungs zum Titel gratuliert.

Ich war glücklich und traurig zu gleich. Denn einerseits waren wir endlich wieder Weltmeister, andererseits war es auch das letzte Mal, das ich meine Urlaubsliebe gesehen habe. Von da an nahm der Fluch der Weltmeister seinen Lauf.

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