Mehr als zwei Monate waren bereits verstrichen, seit dem ich in Deutschland auf meine Motorrad-Reise aufgebrochen war. Nun hatte ich die Westsahara erreicht.

In weniger als zwei weiteren Monaten wollte ich wieder in Deutschland zurück sein (das war noch bevor die Corona-Sache dazwischenkam). Es war also Zeit, darüber nachzudenken, wann ich umkehren wollte. Ich musste eine Entscheidung treffen.

Das Video zur Etappe findest Du im Titelbild oder wenn Du hier klickst.

Point of Return

Alle Episoden meiner ersten großen Motorradreise

Insgeheim liebäugelte ich damit, bis nach Dakar, also in den Senegal, zu fahren und dann wieder zurück. Mir gefiel die Vorstellung, auf den Spuren der legendären Rallye zu wandeln, aber es waren noch 2000 Kilometer bis Dakar. Das war machbar, aber dann könnte ich nicht mehr verweilen und müsste mich ranhalten, um rechtzeitig wieder nach Hause zu kommen.

Darauf hatte ich keine Lust. Es gab noch viel Unentdecktes in Marokko. Außerdem wollte ich vielleicht über Portugal zurückfahren, was auch zeitintensiv wäre.

Deshalb beschloss ich, auf der 29. Etappe noch bis Laâyoune, der Hauptstadt der Westsahara, zu fahren und dann umzudrehen.

Großer Grillteller, kleiner Schraubenzieher

Da ich in der vorausgegangenen Nacht im Beduinen-Camp nichts zu Essen bekommen hatte, feierte ich meinen südlichsten Reisepunkt in Laâyoune mit einem großen Grillteller in einem leeren Restaurant an der Hauptstraße. Außerdem versuchte ich, einen sehr kleinen Schraubenzieher für den Stabilisator meiner GoPro  aufzutreiben. Da hatten sich nämlich ein paar Schrauben gelöst. Eine war sogar verloren gegangen.

Ein so kleiner Schraubenzieher war aber auch im dritten Geschäft/Kfz-Betrieb nicht zu bekommen. Also stimmte ich dem Vorschlag zu, meinen Stabilisator mit Super Kleber zusammenzukleben. Der alte Mechaniker verlangte kein Geld und schenkte mir sogar noch den Kleber, falls sich die Sache wieder löst. Zu meiner Überraschung hält sie bisher bombenfest.

Ein anderer Weg

Auf dem Weg von Laâyoune zurück Richtung Norden fuhr ich nicht wieder auf der Küstenstraße, die mehr oder weniger die einziger Nord-Süd-Verbindung darstellt. Ich folgte einer Empfehlung der Traveller vom Plage Blanche.

Dieser Weg führte in einem Dreieck von der Küstenstraße weg durch die Wüste. Kurz vor dem Ende der Westsahara traf er in Akhfenir wieder auf die Küstenstraße. Ein großes Stück davon ging durch die Wüste – offroad.

Durch die Sahara

Offroad durch die Sahara – das war mein Tagesplan. Die ersten 50 Kilometer waren allerdings asphaltiert. Allmählich befand sich aber mehr und mehr Sand auf der Straße. Manchmal fuhr ich im Schritttempo mit beiden Füßen stabilisierend durch die doch recht tiefen Verwehungen.

Als ich mich dem Offroad-Teil näherte, dauerte es eine Weile, bis ich hineinfand. Denn ich fand den Weg nicht.

Nach einiger Zeit verstand ich, dass da zwar mal eine Art Feldweg war. Dieser war aber an vielen Teilen verschwunden und die Wüste sieht nach allen Seiten hin gleich aus.

Die OsmAnd App

Aber ich hatte ja die Karte auf meinem Handy. Die OsmAnd App hat wirklich viele Miniwege verzeichnet. Deutlich mehr als die großen Konkurrenten. Zumindest gilt das für Marokko.

Auch mein Weg war bei OsmAnd verzeichnet. Besser noch: die Reisenden vom Plage Blanche hatten mir das Tracking von jemandem geschickt, der diesen Weg kürzlich gefahren war.

So fuhr ich stundenlang frei durch die Wüste Sahara und orientierte mich grob an meinem Navi, damit ich nicht zu weit weg von dem Feldweg komme.

Luftdruck 1,4 Bar

Der Fahrspaß wurde ganz erheblich dadurch beeinflusst, dass ich auf YouTube den Tipp bekam, meinen Reifendruck beim Offroad-Einsatz auf 1,4 Bar zu reduzieren.

Das war ein Game Changer. Während ich vorher wie auf Eiern gefahren war und ständig Angst hatte, wegzurutschen, machte es nun auf einmal Riesenspaß, über die mit kleinen Büschen  und Sandhügeln gespickte Wüstenlandschaft zu heizen.

Umfaller Nummer 3

Irgendwann erreichte ich einen Hügel.  Ich musste Wenden und habe zu viel Gewicht auf eine Seite bekommen. Dabei ist mir meine Luzy umgefallen.

Aber ich habe das Motorrad beim ersten Versuch wieder hochbekommen. Übung macht den Meister, könnte man sagen, aber ich versuche weitere Umfaller zu vermeiden. Das war Nummer drei.

Als ich den richtigen Weg den Hügel hinunter gefunden hatte, streunten da Kamele und Esel herum. Dann durchquerte ich einen kleinen Fluss.

Die Dunkelheit

Nun musste ich mich sputen, denn die Sonne senkte sich über die Sahara. Generell vermeide ich es, auf meinen Etappen ins Dunkle zu kommen. Ab und an passiert das. Aber das es ausgerechnet hier passieren muss, wo ich allein in der Sahara war…

Gerade, als die Wüste die Sonne verschlang, erreicht ich die Straße. Ich hatte beim Auswärtigen Amt die Seite über die Westsahara gelesen. Von Reisen wird dringend abgeraten und auf keinen Fall soll man die Hauptstraße verlassen. Ich hatte zwar wieder Asphalt unter den Rädern, aber die Hauptstraße war noch 30 Kilometer entfernt. Schnell pumpte ich meine Reifen wieder auf.

Nachdem die Sonne weg war, dauerte es nicht lange, bis die Wüste jedes Licht verschluckt hatte. Die Straße hatte keine Laternen oder reflektierende Pfosten. Obwohl der Scheinwerfer der Ténéré 700 sehr stark ist und ich in Deutschland von dessen Leuchtkraft immer wieder überrascht war, sah ich in der Sahara relativ wenig.

Gedanken und Paranoia

Während ich durch die Dunkelheit fuhr, dachte ich an das Auswärtige Amt. „War es gefährlich, hier zu fahren?“ Ich steigerte mich vielleicht ein wenig rein, aber durch die extreme Dunkelheit konnte ich nicht weit sehen. „Wenn jemand die Straßen blockieren würde, wäre ich bereits zu dicht, um noch zu flüchten“, überlegte ich.

Ich beobachtete nun jedes kleinste Licht. „Bewegt es sich? Kommt es auf mich zu?“

Als ich einen alten Golf am Straßenrand passierte, sah ich zwei Männer darin sitzen. Genau danach ließen sie den Motor an und drehten um, mir hinterher.

Nun hatte ich Paranoia und drückte aufs Gas, damit sie mir nicht näher kamen. Bis Akhfenir war es nicht mehr weit.

Es dauerte auch nur noch wenige Minuten, bis ich die Stadt und damit die Hauptstraße erreichte. Das Auto hatte sich nicht genähert und alle anderen Lichter sahen jetzt nicht mehr bösartig aus.

Hotel Paris -Dakar

Es schien mir, als würden viele Lkw-Fahrer hier übernachten. Es gab mehrere Hotels, aber ich hatte meine Wahl bereits getroffen, als ich das schäbig beleuchtete Schild im Vorbeifahren gelesen hatte: Hotel Paris -Dakar.

Für 10 Euro bekam ich ein Doppelzimmer mit eigenem Bad und WLAN. Außerdem durfte ich mein Motorrad im Hoteleingang gegenüber der Rezeption parken.

Der Mann hinter der Rezeption erzählte mir, dass man in Akhfenir Fisch essen müsse und empfahl mir ein Restaurant.

Später lag ich zufrieden in meinem Bett: Aufgewacht im Beduinen-Camp, in der Hauptstadt der Westsahara Grillteller gegessen, 100 Kilometer mit dem Motorrad alleine Offroad durch die Wüste gefahren und Abends im Hotel Paris – Dakar eingekehrt. Was für ein Tag!

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