Wie ich auf einer Zugreise in Indien einem Fremden ins Essen kotzte

Die Sleeper-Class der indischen Eisenbahn - der Ort des Geschehens (Foto: Ruti)

Mein Magen grummelte, als mich der Wecker aus dem Schlaf riss. Das indische Essen war mir offenbar doch nicht bekommen. Der Gang zur Toilette bestätigte das. „Perfektes Timing“, dachte ich. In 60 Minuten würde ich für 30 Stunden in einem Zug quer durch Indien festsitzen.

Als ich am Gleis stand, von wo aus mein Zug aus Pune nach Neu-Delhi aufbrechen sollte, ging es mir besser. Ich hatte zwei *Imodium eingeworfen und die hatten sich offenbar an die Arbeit gemacht.

Der Ticketkauf

Ich sollte Sleeper-Class fahren. Allein die Fahrkarte zu bekommen, hatte mich bereits Nerven gekostet: Außer in der untersten Klasse gibt es nur solange Tickets, wie es auch Sitzplätze gibt. Weil Indien aber jede Menge Menschen hat, sind die Züge oft tagelang vorher ausgebucht. Dann hast Du zwar immer noch die Möglichkeit, ein Ticket online  zu kaufen, kommst aber auf die Warteliste. Mit einer PNR-Nummer kannst Du im Internet nachschauen, wie sich dein Warteliste-Platz verändert und gegebenenfalls in ein richtiges Ticket verwandelt. Wenn kein Platz frei wird, bekommst Du das Geld zurückerstattet.

Ich hatte gleich zwei Tickets gebucht. Es gibt nämlich noch sogenannte Not-Tickets. Die werden für die Sleeper-Class um 11:00 Uhr, einen Tag, bevor der Zug am Startort losfährt, freigegeben. Diese Fahrkarte hatte ich aber nicht mit einer ausländischen Karte bezahlen können. Mein Freund in Pune hatte mir ausgeholfen.

Bei beiden Fahrkarten stand ich auf der Warteliste und als ich bereits dachte, es wird nichts mehr, erhielt ich in der Nacht vor meinem Aufbruch für das Not-Ticket die Nachricht: „Confirmed.“

Die Platzverhältnisse

In der Sleeper-Class gibt es immer zwei Mal drei übereinander angeordnete Betten, die sich gegenüber liegen und am Gang nochmal zwei. Auf meinem Platz saßen schon zwei andere Leute und der Zug war längst losgefahren, bis sich herausstellte, das ein junger Mann und seine Mutter in eine andere Klasse upgegradet worden waren und meinen Platz freigaben.

Das Erbrechen

Nach etwas mehr als einer Stunde waren also die Platzverhältnisse geklärt. Da ich noch 29 weitere Stunden rumkriegen musste, stöberte ich in der Essenstüte, die mir meine Freunde für die Fahrt mitgegeben hatten. Eine Art süßes Brot, gefüllt mit Krumen hatte das Los gewonnen, meinen Magen zu testen. Wenig später übergab ich mich auf der Zugtoilette.

Der Gestank und die Wurst, auf die ich kotzte, ließen mich noch heftiger erbrechen. Auf indischen Klos gibt es kein Klopapier oder Servietten.

Die Wolldecke

Als ich wieder an meinem Platz war, beschlossen meine Sitznachbarn zum Glück, die Liegen auszuklappen, so dass ich mich hinlegen konnte.

So lag ich da für Stunden. Als es dunkel war und die letzten Lichter erloschen, herrschte eine Eiseskälte in dem Zug. Obwohl ich ein T-Shirt, mein Longsleeve, mein Hoodie und meinen Pullover übereinander anhatte, fror ich.

Der Inder gegenüber schien das bemerkt zu haben. Denn er reichte mir eine Wolldecke. Ich hätte ihn dafür küssen können, aber ich entschied anders.

Die Explosion

Als er gerade sein Essen ausgepackt hatte und sich genüßlich darüber hermachte, geriet mir der Geruch der indischen Gewürze dermaßen unangenehm in die Nase, dass ich das Cola-Wasser-Gemisch, welches ich über den Tag zu mir genommen hatte, explosionsartig über seine Decke, die Taschen der anderen Mitreisenden, die auf dem Boden standen, über den armen Kerl und schließlich in sein Essen erbrach.

Die Aufräumarbeiten

Wie bereits geschildert, gab es keinerlei Taschentücher oder Klopapier  – also nichts zum Aufwischen und die Cola-Kotze schwappte gerade munter auf dem Boden und den Liegen herum.

Ich hatte noch ein paar Feucht-Tücher einstecken, die ich über die Jahre von Flugzeugessen gesammelt hatte. Wir benutzten sie, aber da Feucht-Tücher schon feucht sind, war es schwierig. Mülleiner gab es im Übrigen auch nicht. Jeglicher Müll, von den Tüchern bis hin zu Plastikflaschen, wurde einfach aus dem Fenster geworfen.

Die peinliche Situation

Ich entschuldigte mich Mantra-artig bei meinem Nachbarn, der mir so nett seine Decke geliehen hatte und dem ich zum Dank ins Essen gekotzt hatte. Er antwortete jedes Mal „no problem, no problem“, aber ich wusste, dass sein Lächeln gelogen war.

Irgendwann drehte sich der über mir um und sagte: „Patrick, relax, it’s natural.“ Dann schlief er weiter.

Ich sah ein, dass ich die Situation nicht verbessern kann, wenn ich mich dauernd entschuldigte. Und weniger peinlich wurde es auch nicht. Am liebsten hätte ich mich weggezaubert, aber das ging nicht. Also legte ich mich mit meinem von Kotze durchtränkten Pullover auf die verklebte Liege und fror, bis der Zug Delhi erreichte.

Einige meiner Sitznachbarn - der ganz hinten war der Unglückliche. (Foto: Ruti)
Einige meiner Sitznachbarn – der ganz hinten war der Unglückliche.

Kommentieren

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert