Der lange Marsch in Bordeaux

Eintracht-Fans in Bordeaux - ein Traum in Orange (Quelle: D.K.)

Am 28.11.2013 hat Eintracht Frankfurt Geschichte geschrieben. Im Gruppenspiel der Europa League gegen Girondins Bordeaux reisten so viele Fans mit wie noch nie zuvor – und ich war live dabei.

Für leidgeplagte Eintracht-Fans sind die internationalen Spiele etwas ganz Besonderes. Lange hatte der Verein nicht mehr europäisch gespielt. Und die Auslosung hatte es gut gemeint mit den Adlern. Ich hatte dadurch bereits zwei fantastische Trips nach Baku und Israel unternommen und nun stand das fanmäßige Highlight in Bordeaux an.

Der sympathische Klub aus Hessen hatte seinen letzten Auswärts-Auftritt in der Gruppenphase. Die Stadt im südwesten Frankreichs war wegen seiner nicht allzu fernen Lage das Ziel, auf das die Fans schon die ganze Saison hingefiebert hatten. Am Anfang hieß es, 8000 Frankfurter wollten dort mit hinreisen, dann war die Rede von 10000. Schließlich schlugen 12000 Fußballverrückte in dem Städtchen auf. Das hatte es in einem Gruppenspiel der Europa League noch nicht gegeben. Und die Reise hat sich gelohnt. Der Marsch ins Stadion sollte ein unvergessliches Erlebnis werden.

Die orangefarbene Masse setzt sich in Bewegung. (Quelle: Ruti)
Die orangefarbene Masse setzt sich in Bewegung.

Absturz vor dem Spiel

Wir waren eine Sechsergruppe, die von Mittwoch bis Freitag in Bordeaux weilte. Das Spiel fand Donnerstags statt. Ich habe direkt am ersten Abend alkoholmäßig ein „klein wenig“ über die Stränge geschlagen und war am Spieltag eigentlich komplett out of order. Gegen 4 Uhr nachmittags hatte ich mich aber halbwegs berappelt und die anderen Jungs holten mich ab, um ins Stadion zu pilgern.

Die Frankfurter Fans hatten den Place de la Victoire tagsüber in Beschlag genommen. Von dort aus sollte der Tross durch die Stadt ins Stadion Jacques-Chaban-Delmas einziehen. Und was sich da abspielte, war episch.

Als wir nach einem Imbiss beim Döner an der Siegessäule auf dem Platz ankamen, hatte die Völkerwanderung bereits begonnen. Auf dem Platz standen nur noch kleine Grüppchen mit orangefarbenen Mützen herum (die Eintracht-Ultras hatten wie schon einige Male zuvor zum „Orange Chaos“ aufgerufen, bei dem alle in Orange erscheinen sollten) und das Ausmaß der Verwüstung wurde sichtbar. Überall lagen Glas und Müll und an einer Stelle brannte ein sogar kleines Feuerchen auf dem Boden. Der Platz glich einem Schlachtfeld.

Dieses Bild gibt nicht annähernd wieder, wie der Place de la Victoire, auf dem die Fans den ganzen Tag feierten, aussah. (Quelle: Ruti)
Dieses Bild gibt nicht annähernd wieder, wie der Place de la Victoire, auf dem die Fans den ganzen Tag feierten, aussah.

Wild aber friedlich

Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes befand sich das Ende der zum Stadion laufenden Menschenmasse, zu der wir uns begaben. Der Verkehr war komplett lahmgelegt. Ein Auto, das gerade aus der Masse herauskam, hatte mehr Aufkleber als ein Formel-1-Wagen. Andere Vehikel, die uns auf dem Weg begegneten und warten mussten, bis die Adlerinvasion vorüber war, wurden angetanzt, geschüttelt und natürlich auch wieder beklebt.

Bengalos haben einen schlechten Ruf, sehen aber gut aus. (Quelle: D.K.)
Bengalos haben einen schlechten Ruf, sehen aber gut aus.

Der Tross bewegte sich fahnenschwenkend, singend und feiernd langsam vorwärts. Etwas Pyrotechnik tauchte die Umgebung in orangefarbenes Licht und schaffte das passende Ambiente. Die Einheimischen standen an den Fenstern und Balkonen, schauten dem wilden Treiben zu, machten Fotos und Videos und klatschten zu den Fangesängen der Anhänger von Eintracht Frankfurt. Natürlich gab es auch einige, die alles andere als begeistert aussahen.

Die meisten hatten wohl in weiser Voraussicht ihre Geschäfte geschlossen. Erst als wir uns dem Stadion näherten, sahen wir Läden, die geöffnet waren. Auf der Suche nach Biernachschub und Essbarem stürmten die Fans diese Läden, denen sie wohl den Umsatz des Jahres bescherten – zumindest soweit die Verkäufer die Lage im Griff behielten. Einer der Gastwirte ging lieber kein Risiko ein. Er stand vor seinem Laden, hielt die Tür zu und sagte im Sekundentakt „Non“. Und die Eintracht-Fans respektierten das offenbar.

Ghettobird über unseren Köpfen

Die Polizei war in großer Zahl und sogar mit deutscher Unterstützung anwesend. Über uns kreiste die ganze Zeit ein Hubschrauber. Als wir im Stadion waren, saß unweit von uns ein Fan, der sich tränenüberströmt die Augen rieb und offenbar Pfefferspray abbekommen hatte. Kleinere Scharmützel scheint es also gegeben zu haben. Überwiegend verlief aus meiner Sicht aber alles friedlich.

Der Weg zum Stadion war ein überragendes Erlebnis und obwohl ich den halben Tag den Porzellangott angebetet hatte, öffnete ich mir zur Feier des Tages dann auch wieder ein Bier.

Das Stade Jacques-Chaban-Delmas ist klein aber schick. (Quelle: Ruti)
Das Stade Jacques-Chaban-Delmas ist klein aber schick.

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