Legenden von Venedig

Venedig ist eine märchenhafte Stadt im Wasser mit langer und großer Geschichte. Deshalb beherbergt die Lagunenstadt viele schaurige und kuriose Legenden und Halbwahrheiten. Ich liebe solche Storys und möchte deshalb einige davon hier zum Besten geben:

Der letzte Seufzer beim Anblick der Freiheit

Die berühmte Seufzerbrücke ist der Übergang vom Dogenpalast zum alten Gefängnis Venedigs. Früher wurde man im Gerichtssaal des Palastes verurteilt und dann direkt ins Gefängnis gebracht.

Seufzerbrücke - Blick von innen (li.) und außen (Quelle: ruti)
Seufzerbrücke – Blick von innen (li.) und außen

Als die Verurteilten die Seufzerbrücke überquerten, konnten sie durch kleine Öffnungen im Mauerwerk ein letztes Mal nach draußen in die Lagune blicken und den Duft der Freiheit erhaschen. Die schweren Seufzer, die die Gefangenen daraufhin ausstießen, haben der Brücke ihren Namen gegeben.

Ich zeig dir, wieviel Uhr es ist

Auf dem Markusplatz (der mit den vielen Tauben) fanden in der Vergangenheit die Hinrichtungen in Venedig statt. Der Verurteilte stand zwischen zwei riesigen Säulen mit dem Rücken zur Lagune und dem Gesicht zur Turmuhr.

Der Blick auf die Turmuhr war der letzte, den die zum Tode Verurteilten hatten. (Quelle: ruti)
Der Blick auf die Turmuhr war der letzte, den die zum Tode Verurteilten hatten.

Das Letzte was er sah, war der Zeitpunkt seines Todes. Daraus hat sich eine Redensart entwickelt, die heute noch geläufig ist: Wenn man in Venedig jemanden beschimpft, sagt man: „Ich zeig dir, wieviel Uhr es ist“ (te fasso vedar me che ora che xe).

Versuche nicht, den Teufel zu verarschen

Dies ist die Legende vom Bau der Rialtobrücke: Die Errichtung bereitete den Baumeistern große Schwierigkeiten. Immer wieder brach die Konstruktion zusammen. Der Teufel hatte seine Hände im Spiel und verhinderte einen sicheren Übergang über den großen Kanal. Er würde erst aufhören, wenn er die erste Seele bekommt, die die Brücke überquert. Der Baumeister, fest entschlossen die Brücke fertigzustellen, schloss den Pakt mit dem Teufel, glaubte aber den Herrn der Unterwelt austricksen zu können. Er wollte dafür sorgen, dass die erste Seele, die die Brücke überquert, ein Hahn ist. Damit wäre sein Teil der Abmachung erfüllt, aber kein Mensch hätte Schaden genommen. Also ließ er Wachen aufstellen, die verhinderten, dass irgendjemand die Brücke betrat. Der Teufel aber hatte von dem Plan des Baumeisters Wind bekommen, ging zu seiner schwangeren Frau und erzählte ihr, dass ihr Mann sie auf der Brücke erwarten würde. Die Wachen erkannten die Frau als die Gattin des Baumeisters und ließen sie durch. Damit war ihre Seele verloren. Und die Moral von der Geschicht: den Teufel, den verarscht man nicht.

Die Rialtobrücke (Quelle: ruti)
Die Rialtobrücke

Gedenke dem armen Bäcker

Im Jahre 1507 fand ein junger Bäcker in einer dunklen Gasse Venedigs eine Leiche in einer Blutlache auf dem Boden. Naiv wie er war, hob er das Messer, das daneben lag, auf. In dem Moment schaute eine Frau aus dem Fenster, erblickte die Gestalt mit dem Messer in der Hand über der Leiche stehen und schrie. Schnell war die Polizei zur Stelle und nahm den Bäcker fest. Er wurde solange gefoltert, bis er die Tat zugab. Das war sein Todesurteil.

Mehr von dieser Reise

Kaum war der arme Bäcker hingerichtet worden, stellte sich heraus, dass ein Graf der wirkliche Mörder war und Venedig verfiel wegen des Fehlurteils in einen Schockzustand. Von dem Zeitpunkt an wurde bei jedem Prozess mahnend der Satz „Erinnert euch an den armen jungen Bäcker“ gesagt, um den Urteilenden die Möglichkeit einer Fehlentscheidung ins Gewissen zu rufen. Noch heute ist der Satz „Recorderve del povero fornareto“ (im venezianischen Dialekt) geläufig, wenn jemand ein vorschnelles Urteil fällt. Außerdem wurden zum Gedenken an den Unschuldigen zwei Kerzen am Ort seiner Hinrichtung aufgestellt, die jede Nacht von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang brennen. Diese Kerzen sind mittlerweile durch elektrisches Licht ersetzt worden, aber sie leuchten noch bis heute in jeder Nacht.

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