Rishikesh hat zwei Gesichter. Das eine kleidet sich in Sackleinen und macht den ganzen Tag Yoga, kifft oder meditiert. Das andere bekommen die meisten Touristen niemals zu sehen.
Das Video dazu gibts im Titelbild oder wenn Du hier klickst.
Die Beatles machten Rishikesh berühmt
Für viele Indien-Reisende ist Rishikesh ein Begriff. Schließlich waren die Beatles 1968 hier und die machten das Städtchen am Fuße des Himalayas berühmt. Seitdem strömen die Menschen aus Europa und Amerika hier her. Sie suchen die Erleuchtung.
Ich traf einige, die nur aus diesem Grund nach Indien gekommen waren. Sie waren nach Delhi geflogen, dort in ein anderes Flugzeug nach Dehradun gestiegen und dann mit dem Taxi direkt nach Rishikesh gefahren. Nachdem sie ihren Meditations-Kurs oder ihre Yoga-Ausbildung abgeschlossen oder ihrem Guru, dessen Bücher sie bereits seit Jahren lasen, gelauscht hatten, reisten sie auf dem gleichen Weg wieder zurück ins Büro. Das wahre Indien bekommen diese Leute nie zu Gesicht.
Meine Freunde hatten von einer Band namens Beatles nie gehört
Bei meinen indischen Freunden war es genau umgekehrt. Sie hatten Rishikesh schon oft besucht. Die Stadt umgeben von Bergen ist ein bekanntes Erholungsgebiet. Außerdem heiratet man hier gerne, wenn man es sich leisten kann. Aber von einer Yoga-Hauptstadt der Welt, dem Viertel mit den weißen Menschen in Hippie-Klamotten oder gar einer Band namens Beatles hatten meine Freunde noch nie etwas gehört.
(Das ist im Übrigen nicht bei allen Indern so. Ich traf welche im Yoga-Bezirk und die kannten auch die Beatles. Aber das waren Menschen aus höheren Bildungsschichten.)
Enttäuschung, als ich Rishikesh erreichte
Ich hatte weder von dem einen, noch von dem anderen Gesicht jemals etwas gehört. Rishikesh war mir fremd, als ich auf der Farm meiner Freunde einige Hundert Kilometer entfernt davon weilte. Sie schlugen vor, in das Städtchen in der Nähe einer anderen Stadt namens Haridwar zu fahren. Dort seien die Berge und der Ganges und es sei perfekt für einen Ausflug. Erst als ich das googelte, fand ich heraus, dass es sich um die Yoga-Hauptstadt der Welt handelte.
Wir fuhren mit dem Auto dorthin und tranken Bier dabei. Als wir Rishikesh erreichten, war ich enttäuscht. Hier war es genauso voll, laut, dreckig und hässlich, wie in so vielen anderen indischen Städten – von Ruhe und Spiritualität keine Spur.
Ab in die Berge!
Wir übernachteten zu dritt in einem Hotelzimmer und ich schlief auf dem Boden. Am nächsten Tag fuhren wir hoch in die Berge durch den Nationalpark, wo die Einheimischen ihren Müll los wurden und die Affen zum Essen ausgingen.
Wir fuhren immer weiter hinauf und ich wusste noch nicht, welches Glück ich hatte. Denn im Yoga-Teil der Stadt hätte ich für so eine Fahrt teuer bezahlen müssen (für indische Verhältnisse). Die Aussicht war toll und wir tranken noch mehr Alkohol. Abends sollten sich unsere Wege dann trennen.
Das Tal der Glückseligkeit
Bevor sich meine Freunde auf den Heimweg machten, ließ ich mich an einem *Hostel rauswerfen, dass ich mir via Hostelworld herausgesucht hatte. Schon auf dem Weg dorthin veränderte sich das Stadtbild. Die Straßen wurden schmaler und der Verkehr weniger. Den Straßenrand säumten auf einmal Batik-Klamotten und hippe Cafés. Und die weißen Menschen, die auf einmal überall herumliefen, waren der endgültige Beweis, dass ich das Rishikesh aus den Reiseführern gefunden hatte.
Die folgenden Tage führte ich wieder das Backpacker-Dasein, das ich so liebe: Ich saß auf der Dach-Terrasse, rauchte mein Marihuana und philosophierte mit anderen Reisenden und den Indern der Bildungsschicht über die Probleme der Welt. Ab und zu stand jemand auf, um den Sonnengruß zu machen.
Zurück zu den Beatles
Obwohl ich diesen Lifestyle so liebte, kam ich mir als was Besseres vor, denn ich war schließlich mit meinen Freunden hierher gefahren und hatte das echte Indien gesehen. „Das hier ist doch alles nur Touri-Quatsch“. dachte ich. Dann besuchte ich den Beatles-Ashram.
Ein Ashram ist sowas wie ein Meditations-Tempel und dieser war schon lange nicht mehr in Betrieb. Er fungierte nur noch als Museum – und ich zahlte dafür 600 Rupien, knappe 8 €, Eintritt. Dafür bekam ich eine Ruinen-Anlage zu sehen, die voller Malereien und Sprüche der Fab Four war. Touristen waren kaum welche dort und dem Australier, mit dem ich abends auf der Dach-Terrasse meinen Joint teilte, gefiel es dort besser als im Taj Mahal. Ich fand das übertrieben, aber gut war es allemal.
Ich blieb eine Woche, bis ich verstand
Später ging ich zum Parmath Niketan Temple und besuchte ein Aarti, eine hinduistische Zeremonie.
In den folgenden Tagen rauchte ich noch mehr Joints, saß in meiner Alibaba-Hose am Boden hipper Cafés und aß Chocolate-Pancakes.
Ich blieb eine Woche. Dann verstand ich: Das wahre Indien hatte ich weder vorher, noch jetzt gesehen – oder besser gesagt, ich hatte es die ganze Zeit gesehen. Die zwei Gesichter Rishikeshs stehen pars pro toto für die absurde und erforschenswerte Diversität des ganzen Landes. Beides ist Indien.
Das reinigende Bad im Ganges
Bevor ich Rishikesh verließ, wusch ich noch meine Sünden im heiligen Ganges fort. Denn hier kommt der Fluss direkt aus dem Kopf von Shiva und ist noch rein. Meine nächste Station sollte Varanasi sein – dort wimmelt es von Toten.
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