Am Neumondtag im Januar 2019 kamen 30 Millionen Besucher nach Allahabad, dem Ort des größten Festivals der Welt. Es hört auf den Namen Kumbh Mela und dauerte 49 Tage lang. Ich war nur einen halben da und fand das Drumherum viel interessanter.

Das Video dazu gibts im Titelbild oder wenn Du hier klickst.

Das erste Highlight erlebte ich bereits früh morgens, als ich mit dem Zug von Varanasi aus in Richtung Allahabad startete. Ich war sonst meistens in der zweitbilligsten Klasse, die den Namen Sleeper Class trägt, gefahren, aber an diesem Tag wollte ich das Abenteuer General Seating erleben. Das ist die niedrigste Klasse der indischen Eisenbahn und die einzige, für die man keine Sitzplatz-Reservierung braucht.

Ein Zug-Ticket für 50 Cent

Am Bahnhof in Varanasi reihte ich mich in die Schlange zum Fahrkarten-Verkauf ein und weil ich bereits Erfahrung mit dem Anstellen in Indien hatte, vermied ich, dass sich all zu viele Leute vordrängelten und kam recht zügig zu meinem Ticket. Es kostete 50 Cent. Nicht schlecht für eine Fahrt, die drei Stunden dauern sollte, dachte ich. Da wusste ich allerdings noch nicht, was auf mich zu kam.

Denn als ich das Abteil betrat, war es bereits so voll, als hätte gerade ein Bundesligaspiel stattgefunden. Ich war mit meinen zwei Rucksäcken leicht überfordert, aber weil ich ein weißer Mann bin, bot man mir nach einer halben Stunde einen Platz an.

Die Definition des Wortes „voll“

Der Zug ratterte los und an jeder Haltestelle – gefühlt waren es zig – wurde er immer noch voller. Irgendwann saßen auf jedem meiner für indische Verhältnisse riesigen Schenkel ein Kind und ein paar andere Leute stützten sich auf meinen Schultern ab. Einen Rucksack hatte ich ein paar Meter entfernt unter einen Sitz geschoben, den anderen zusätzlich zu den Kindern auf meinem Schoß.

Mir war vorher schon klar gewesen, dass die Definition des Wortes „voll“ in Deutschland und Indien eine völlig andere ist, aber erst an diesem Tag erfuhr ich, wie viele Leute wirklich in ein Zugabteil passen. „Crazy“, dachte ich und blickte nach oben. Ich erntete ein Lächeln derjenigen, die in die Gepäckfächer geklettert waren und dort einen Platz gefunden hatten.

Die Fahrt dauerte doppelt so lange

Ich bekam also das Abenteuer, das ich mir gewünscht hatte. Und weil die Inder ein gastfreundliches Volk sind, dauerte dieses Abenteuer auch nicht nur drei Stunden, sondern sechs.

Als ich endlich aus dem Zug geschoben wurde, war das Schönste, meine schmerzenden Beine endlich wieder bewegen zu können.

Ich packte Google Maps aus und machte mich auf zu meinem Hostel. Es waren etwa 20 Minuten bis dahin, aber ich war froh, meine der Lähmung nahen Beine endlich wieder bewegen zu dürfen, so dass ich gerne zu Fuß ging.

Nur eine kurze Pause

Mein Hostel lag an einer großen Straße, auf der die Menschen wie Perlen an einer Schnur aufgereiht in Richtung Kumbh Mela pilgerten. Dabei lief – wie immer – viel zu laute Musik.

Auch ich wollte so schnell wie möglich auf das Fest, denn ich hatte nur diesen einen Tag, bevor ich den Nachtbus nach Jaipur nehmen sollte.

Im Hostel lernte ich einen Spanier kennen und wir machten uns zusammen auf den Weg.

Nach der Ricksha begann das ziellose Umherwandern

Leider war ausgerechnet an diesem Tag der Taxiverkehr verboten. Deshalb liefen die ganzen Menschen auch zum Kumbh Mela. Das war allerdings ziemlich weit weg. Also quetschten wir uns zu zweit in eine Fahrrad-Rikscha und der junge Mann strampelte los.

Als er stoppte, waren wir offensichtlich nah dran am Festival. Das konnten wir an den dichter werdenden Menschenmassen erkennen. Ansonsten konnten wir nicht viel erkennen. Nachdem der Rikscha-Mann uns in eine Richtung geschickt hatte, liefen wir planlos irgendwelchen Menschentrauben hinterher.

Das Problem war, dass andere Trauben uns sowohl entgegen kamen, als auch in alle Richtungen die Straßen entlangliefen, die wir kreuzten.

Aber schließlich erreichten wir das Festival-Gelände. Das Kumbh Mela kostete keinen Eintritt. Da das große Ding hier das heilige Bad an den sich kreuzenden heiligen Flüssen Ganges und Yamuna war, versuchten wir uns in Richtung Wasser zu orientieren.

An den Straßenrändern standen Zelt an Zelt und ab und zu gab es Stände, an denen Eis, Zuckerwatte, Klamotten oder Farbe verkauft wurden.

Wir liefen viel, fanden aber kaum Interessantes

Als wir das Wasser erreichten und mit Tausenden anderen Besuchern riesige, künstliche, auf Fässern schwimmende Brücken überquerten, sahen wir ein paar Menschen, die sich badeten. Aber von sonderbaren Stämmen aus den Bergen, die sich massenweise zum Wasser drängen, war keine Spur.

Davon hatte man mir erzählt, aber ich war wohl zur falschen Zeit da oder am falschen Ort. Denn die Größe des Festivals war unglaublich. Wir hatten keinerlei Anhaltspunkt, an dem wir uns orientieren konnten. Selbst wenn, was hätten wir suchen sollen?

Das Camp, das wir nie erreichten

In Agra, wo das Taj Mahal steht, hatten mir Backpacker erzählt, dass es in Sektor 10 ein Hippie-Zelt der Rainbow-Community gebe. Das sind Westler, die wie Hippies in Indien leben und alles (Essen, Trinken, Gras) teilen. Sie seien auch Besuchern sehr aufgeschlossen gegenüber und die Reisenden in Agra hätten sich dort aufgehalten, als sie das Kumbh Mela besuchten.

Nach viel Fragerei erfuhren wir, dass dieser Sektor 5 Kilometer entfernt war. Wir versuchten, irgendeinen Transport zu bekommen, aber niemand wollte uns mitnehmen.

Auch das Essen war unerreichbar

Also cancelten wir diesen Pan und überlegten stattdessen, etwas zu essen. Und man konnte in den Zelten wohl gratis essen. Allerdings waren überall riesige Schlangen, an denen wir uns nicht anstellen wollten.

3 Stunden irrten wir planlos auf dem Festival herum und verließen es dann enttäuscht, weil wir beide echt im Arsch waren.

Der Rückweg war ebenfalls beschwerlich, da wir das Taxi-Problem hatten und niemanden fanden, der uns für einen vernünftigen Preis zum Hostel fahren wollte.

Wir hatten wohl Pech

Als wir das Hostel endlich erreichten, kamen wir mit einem Amerikaner, einem Franzosen und einem Inder ins Gespräch. Sie weilten bereits mehrere Tage in Allahabad und fanden es sehr cool auf dem Kumbh Mela.  „Doch“, sagte ich, als mich der Ami fragte, ob wir nicht die Badenden gesehen hätten. „Aber eben keine Sadhus.“

Andere hatten mehr Glück: Als ich später in Pushkar war, zeigte mir jemand ein Video, in dem die nackten heiligen Männer zu Tausenden in Richtung Wasser strömten. Das sah magisch aus und das hatte ich auch sehen wollen. Aber es hat irgendwie nicht sein sollen. Für mich bleibt das Kumbh Mela der größte Zeltplatz, den ich je gesehen hatte, auf dem eine unfassbare Masse an Menschen sehr viel laufen.

Hostel-Talk über Drogen

Als wir so im Hostel plauderten und uns Essen zum liefern bestellten, kam das Gespräch auf Bhang, der legalen Variante von Marihuana in Indien. Es gibt Läden, die von der Regierung sind, in denen das verkauft wird. Der Ami hatte in dem in Varanasi nach weiteren bewusstseinserweiternden Mitteln gefragt und der Verkäufer hatte ihm ein ganze Palette präsentiert. Eine Auswahl davon erwarb er und nachdem wir unser Lieferessen gegessen hatten, bot er mir Opium-Schokobällchen an, die für einen schönen Schlaf sorgen sollten. Er müsse bald fliegen und könne sowieso nicht alles konsumieren. Deshalb wäre er dankbar, wenn ich ihm was abnehmen würde.

Ich war an diesem Abend nicht in der Stimmung, steckte aber ein in Alufolie gewickeltes Bällchen ein.

Mein erster Schlafbus in Indien

Am folgenden Tag nahm ich den Nachtbus (weil die Züge ausgebucht waren) nach Rajasthan, das Land der Könige. Jaipur hieß das Ziel. Es war mein erster Nachtbus in Indien und ich war überrascht, wie komfortabel er war. Ich hatte ein Bettchen und konnte meinen Platz mit Schiebefenstern verschließen. Da die Kabine auch über Vorhänge verfügte, hatte ich mehr Privatsphäre, als in vielen Hostels. Das einzige Problem war, dass ich meine Rucksäcke ebenfalls auf meinem Bett lagern musste und das kombiniert mit den für einen Menschen von 1,80 Meter Körpergröße zu kurzen Betten machte die Schlafmöglichkeit eng. Dennoch brachte mich der Bus in 14 Stunden relativ angenehm an mein Ziel.

Der Nachtbus in Indien ist eine relativ komfortable Angelegenheit, wenn man weiß, dass man sein Gepäck nicht in seiner Kabine verstauen muss und dass es kein Klo an Bord gibt. (Foto: Ruti)
Der Nachtbus in Indien ist eine relativ komfortable Angelegenheit, wenn man weiß, dass man sein Gepäck nicht in seiner Kabine verstauen muss und dass es kein Klo an Bord gibt.

Ein paar Wochen und einige Nachtbusse später fand ich heraus, dass ich darauf bestehen konnte, meinen Rucksack in den Gepäckfächern des Busses zu verstauen.

Viele Tage und Abenteuer im Land der Könige vergingen, bis ich mich an die Schokokugel in meinem Gepäck erinnerte und befand, dass der Zeitpunkt gekommen sei, sie zu verzehren. Leider waren die Alufolie und die Opiumkugeln mittlerweile zu einem Stück verschmolzen. Ich versuchte noch, Essbares von Folie zu trennen, gab aber schnell auf und warf das Kügelchen schließlich in den Müll.

Kumbh Mela – Infos

  • Größtes Festival der Welt
  • 2019 waren etwa 200 Millionen Besucher in 49 Tagen in Allahabad
  • Nächstes Kumbh Mela wird 2021/22 in Haridwar sein
BEDEUTUNG

„Kumbh“ bedeutet „Krug“. Deshalb ist des „Kumbh Mela“ oder auch „Kumbha Mela“ das „Fest des Kruges“. Es geht darauf zurück, dass sich Götter und Dämonen um einen Krug des göttlichen Elixiers Amrita stritten. Dabei vielen vier Tropfen des Elixiers auf die Städte Allahabad, Haridwar, Nashik und Ujjain. Das sind die Städte, in denen das Kumbh Mela im Drei-Jahres-Wechsel stattfindet – alle 12 Jahre in derselben Stadt, denn der Streit dauerte 12 Tage. Wenn das Fest stattfindet, fließt das göttliche Elixier Amrita im Flusswasser der Städte. Es befreit von den Sünden und macht unsterblich. Deshalb pilgern so viele Hindus zum Kumbh Mela und nehmen das heilige Bad.

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