Ausgerechnet, als ich in Indien war, kam es zu der schwersten Krise seit Jahren mit dem Erzfeind Pakistan. Zwangsläufig beschäftigte ich mich mit dem Konflikt. Was ich dabei herausgefunden habe und wie sich die Krise auf meine Reise auswirkte, erzähle ich in einem kleinen Abstecher in die Politik.
Die Entstehung des Kaschmir-Konflikts
Alles begann, als die Briten beschlossen, sich aus Indien zurückzuziehen. Aufgrund der Konflikte zwischen Moslems und Hindus wurde das Land aufgeteilt. Der hinduistische Teil blieb Indien und aus den muslimischen Teilen entstand Ost-Pakistan (das heutige Bangladesch) und West-Pakistan. Daneben gab es noch einige Fürstenstaaten, die sich entscheiden durften, welchem Land sie beitreten wollten.
Kaschmir war einer dieser Staaten. Mehrheitlich lebten und leben dort Muslime. Der Maharaja damals war aber Hindu. Er hoffte auf ein unabhängiges Kaschmir und schloss sich erst einmal keiner der beiden Parteien an. Daraufhin kamen von Pakistan unterstützte Kämpfer in das Land, um die Sache ihren Gunsten zu entscheiden. Der Maharaja bat Indien um Hilfe. Indien bot diese auch an, allerdings unter der Bedingung, dass sich Kaschmir an Indien anschließt.
Der Maharaja willigte ein und überschrieb das Gebiet an Indien. Das entsandte seine Truppen und gewann militärisch schnell die Oberhand in Kaschmir. Das war der Beginn des Kaschmir-Konflikts.
Drei Kriege, aber keine Lösung
Seit dem haben die Nationen drei weitere Kriege gekämpft. Immer ist Indien als Sieger vom Platz gegangen. Gelöst hat es den Konflikt aber nicht. Ein Teil Kaschmirs ist von Pakistan besetzt, der andere von Indien.
Wie tief der Konflikt in den Menschen sitzt, wurde mir erstmals in Russland bewusst. In der Sprachschule befanden sich in meiner Klasse sowohl ein Pakistani als auch ein Inder – junge Menschen. Die haben in der ganzen Zeit kein Wort miteinander gesprochen und sich auch nicht zusammen an einen Tisch gesetzt.
China mischt auch mit
Richtig spannend wird es, wenn man die Dimension des Konflikts betrachtet. Denn dann kommen weitere Spieler hinzu: China will seine Vormachtstellung in Asien festigen und (wie es mir die Inder erzählten) sein Territorium erweitern. Deshalb unterstützt es Pakistan und kontrolliert auch selbst einen Teil des Kaschmir-Gebiets, an das China ebenfalls grenzt. 1962 kam es zum Krieg mit Indien. Das Reich der Mitte zeigte seinem Nachbarn in einer kurzen Lektion die Grenzen auf.
Allerdings sorgen sich auch andere Nationen, ob der wachsenden Macht Chinas. Russland ist deshalb schon lange ein guter Freund Indiens.
China hat Pakistan auch die Atombombe verschafft. Da Indien selbst Atommacht ist, wird verständlich, warum die ganze Welt nervös wird, wenn es zwischen Indien und Pakistan mal wieder kracht.
Proteste und die Reaktion der Touristen
Und das passierte während meines Aufenthalts in Indien. Eine Autobombe tötete 40 indische Polizisten und eine Terrorgruppe, die aus Pakistan kommt, reklamierte den Anschlag für sich.
Etwa 800 Kilometer weiter, zog ich gerade in der Yoga-Hauptstadt der Welt an einer Tüte. Ich erfuhr die Nachricht nur am Rande, aber als ich wenige Tage später in Varanasi zu meinem Hostel fuhr, versperrten protestierende Inder den Weg. Sie trugen eine aus Stroh und schwarzem Tuch gebastelte Puppe an einem Stock vor sich her und skandierten Beschimpfungen gegen Pakistan.
Und auch in den Hostels wurde der Konflikt immer mehr zum Gesprächsthema. Jemand erzählte mir, dass an einem Tag alle Geschäfte geschlossen waren, wo er war. Und die Touristen wurden aufgefordert, nicht nach draußen zu gehen, weil die Bevölkerung vor Wut schäumte.
Als ich mit einem Franzosen und einem Inder zusammensaß und wir über Gelbwesten und Kaschmir sprachen, berichtete der Franzose, dass die Bevölkerung immer gegen die Kriege sei, die sein Land führe. Daraufhin erwiderte der Inder: „Hier ist es genau umgekehrt. Die Leute wollen Vergeltung.“
Indien übt Vergeltung
Und so kam es auch. Indien flog Bombenangriffe auf Pakistan. Pakistan schoss daraufhin zwei indische Kampfjets ab und nahm einen Piloten gefangen. Der Luftraum wurde geschlossen und eine Menge Passagiere saßen (z.B. in Bangkok) fest, bis eine Route über China freigegeben wurde.
Zu dem Zeitpunkt war ich gerade auf dem Weg nach Jaisalmer in Rajasthan, das nur 100 Kilometer von der pakistanischen Grenze entfernt ist. Ich kam aus Jodhpur, wonach für viele Reisende Jaisalmer die nächste Station ist. Dort hatte mir jemand erzählt, dass ihm abgeraten wurde, von Jaisalmer aus zu fliegen. Er habe aber schon gebucht und werde das Risiko eingehen. Darüber dachte ich nach, als ich mich der Wüstenstadt näherte und auffällig viele Militärfahrzeuge sah.
Die Inder sagten zwar, dass hier immer viel Militär sei, weil es eben nahe der Grenze sei, aber beim Anblick des Militärs wurde mir bewusster wie nah ich dem Konflikt eigentlich war. Allerdings geht es um die Region Kaschmir und die liegt relativ weit weg von Jaisalmer. Deshalb machte ich mir eigentlich keine Sorgen.
Pakistans Vorwurf an die USA
Trotzdem verfolgte nicht nur ich die politischen Geschehnisse nun stetig auf dem Handy und auch aus denen der Inder, die ihre Videos meistens ohne Kopfhörer schauen, erklang nun häufiger das Wort Pakistan.
Aus dem Handy erfuhr ich auch, dass die USA ihren Hut in den Ring geworfen hatten. Im Handelskrieg mit China wäre es ihr wohl nicht unrecht, wenn der Konkurrent seine Aufmerksamkeit anderen Dingen widmen müsse.
Die Amerikaner warfen Pakistan vor, sich nicht ausreichend gegen den Terror einzusetzen. Als die Amerikaner dann nichts gegen die Bombenangriffe Indiens sagten, warf Pakistan ihnen vor, den Konflikt anzuheizen.
Pakistan liefert Piloten aus
Dennoch glätteten sich die Wogen wieder. Pakistan lieferte den gefangenen Piloten an Indien aus und der Luftraum wurde wieder freigegeben. Zwar gab es weiterhin Gefechte in der Region Kaschmir, aber darüber sorgte sich offenbar kaum einer.
In Jaisalmer, wo ich nun seit drei Tagen bin, gehen die Dinge ihren normalen Lauf. Es sind viele Touristen hier. Sie besichtigten das Goldene Fort und buchen eine Tour die Wüste vor Pakistan. Genauso mache ich es auch. Die Nachrichten behalte ich aber trotzdem im Auge.
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